Meine schrecklich netten Mitbewohnerinnen

Wenn unsere Kolumnistin Angela Ascher nicht alles selbst macht, herrscht in ihrer Wohnung Chaos.

Zurück von einem Arbeitstrip traf mich in meiner Wohnung fast der Schlag. Ich konnte kaum das Vorzimmer betreten: Überall lagen Schuhe, Shirts und Socken. Jacken hingen nicht an der Garderobe, sondern lagen auf dem Boden, und mittendrin haarig eingekuschelt meine zwei Katzen. Ich kämpfte mich in die Küche vor, rechnete mit dem Schlimmsten und war trotzdem erstaunt, wie schlimm es war: halbvolle Pizzakartons, die seit Tagen vor sich hin gammelten, eine ausgeschüttete Milchpackung, offene Lebensmittel, die in den Kühlschrank gehörten, Töpfe mit eingetrockneter Miracoli-Soße und dreckiges Geschirr überall. Logisch, in der Spülmaschine war ja kein Platz, die war noch voll mit unausgeräumtem Geschirr.

Meine Katzen waren mir in die Küche gefolgt und bedienten sich an den Resten: Die eine schleckte Soße aus und die andere hatte einen handgroßen Prosciutto im Mund, an dem sie sich fast verschluckte vor Glück. Als ich in der Kammer das seit Tagen nicht gemachte Katzenklo sah und die Geschäfte, die die Katzen daneben erledigt hatten, war ich fertig mit den Nerven und wusste nicht, ob mir die Tränen aus Verzweiflung oder vor Wut kamen – oder weil das Katzenklo so streng roch. Es gibt doch Regeln bei uns! Aber meine Mitbewohnerinnen hielten sich nicht daran. Und natürlich war ich wieder der Depp, der alles in Ordnung brachte.

Ich schaute in die Zimmer meiner zwei Mitbewohnerinnen, niemand zu Hause. Freunde, Sport, keine Ahnung, wo sie waren. Nach drei Stunden gröbster Chaosbeseitigung saß ich
in der Müffel-Küche und aß ein Stück Pizza, das die Katzen übrig gelassen hatten. Meine Mitbewohnerinnen waren immer noch nicht da, wahrscheinlich verwüsteten sie gerade die Wohnungen ihrer Freunde.

Ich begann, einen Plan zu schreiben. Jede musste ab jetzt etwas im Haushalt tun. Danach ging es mir etwas besser. Ich beschloss, mir einen kleinen Gin zu gönnen, einen guten. Doch hoppla, der schmeckte komisch, vielleicht hatte ich zu viele Eiswürfel reingegeben? Ich schüttete ihn weg und schenkte mir ein neues Glas ein – ohne Eis. Der Drink schmeckte nach nichts. Ich ging zu meiner kleinen Küchenbar, wo noch drei weitere Flaschen mit klarem Alkohol standen. Der Reihe nach probierte ich jeweils einen kleinen Schluck. Alle gestreckt! Und in der Wodkaflasche war nur noch Wasser.

Genau das haben meine Schwester und ich vor Jahren mit der Bar meines Vaters auch gemacht. Damals konnte ich mein Zimmer auch nur schwerlich betreten wegen Chaosalarm. Eigentlich sind meine Mitbewohnerinnen genauso wie mein früheres Ich. Ich nahm einen Schluck von meinem Ginwasser, hörte, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde und zwei Stimmen laut riefen: „Mama, schön, dass du wieder da bist!“ Meine Töchter! Schön, dachte ich, dass ihr noch da und nicht ausgezogen seid. „Möchte jemand ein Glas Wasser?“, fragte ich und hielt meinen schrecklich netten Mitbewohnerinnen die Wodkaflasche hin.#


Die Schauspielerin Angela Ascher ist bekannt aus der BR-Serie „3 Frauen 1 Auto“ und der Sketch-Comedy „Fraueng’schichten“. Am 15. Januar 2025 tritt sie um 20 Uhr im Münchner Lustspielhaus auf. Infos: angela-ascher.de

 

 

Foto: Ela Angerer
Illustration: Daria Rychkova/kombinatrotweiss

 
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