Demo für das kommunale Vorkaufsrecht

Gruppenfoto Demonstration Vorkaufsrecht

Die Bundesregierung muss schnell eine Gesetzesänderung in die Wege leiten, damit Städte wie München das Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten wieder ausüben und so Mieter*innen schützen können – das forderte am Mittwochabend ein breites Bündnis aus Sozialverbänden, Parteien und betroffenen Mieter*innen zusammen mit dem Münchner Mieterverein.

Geplant war die Veranstaltung als Bürger*innen-Sprechstunde mit Daniel Föst, dem Bau- und wohnungspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, die ein rechtssicheres Vorkaufsrecht blockiert.

„Die Blockadehaltung der FDP bedeutet für Mieterinnen und Mieter, dass sie Angst haben müssen, ihr Zuhause zu verlieren und aus ihrem Viertel verdrängt zu werden. Dass Herr Föst trotz vorheriger Absprache nicht hier ist, zeigt, wie wenig sich die FDP für die realen Probleme der Mieter*innen interessiert“, sagt Volker Rastätter vom Mieterverein München.

2020 hat die Stadt München 296 Wohnungen durch das Vorkaufsrecht vor Investoren gerettet, in elf Fällen wurden Abwendungserklärungen unterschrieben, die garantieren, dass sich Vermieter*innen an soziale Mindestvorgaben halten. Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2021 mussten bis Ende Juni 2022 33 Fälle in Erhaltungssatzungsgebieten eingestellt werden, da eine Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt München nicht mehr anwendbar war.

Margarete W. (53), Krankenschwester und Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, hat eine leidvolle Mieterinnen-Vita. In vier Jahren ist sie dreimal umgezogen – war GBW-Mieterin, als diese an die Patrizia verkauft wurde und musste es zuletzt in einer verschimmelten Wohnung aushalten, bis sie vor eineinhalb Jahren in die Bechsteinstraße in Schwabing-West zog.

 „Ich lebe in einer Wohnanlage mit 90 Wohneinheiten, gebaut um 1930. Die Anlage ist gepflegt, instandgehalten und vor allen Dingen bezahlbar. Unsere Mieterschaft besteht aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten und Altersklassen: Rentner, die seit Jahrzehnten hier leben, Selbständigen, Menschen vom Lockdown betroffen und um ihre Arbeit bangend, viele Familien mit Kindern. Vor drei Wochen mussten wir durch ein Anschreiben der Stadt erfahren, dass der Verkauf unserer Wohnungen an einen Investor ansteht. In diesen Zeiten hier in München, wo Wohnraum und Existenz voneinander abhängen, ein Schock. Das Vorkaufsrecht der Stadt – ein Hoffnungsschimmer – hat sich nach kurzer Recherche eingetrübt. Wir haben keine Zeit mehr für Macht- und Profilierungskämpfe in der Politik, handeln Sie jetzt!“

Auch Sozialverbände warnen davor, die Stadt an Investoren zu verkaufen.

„Bezahlbares Wohnen ist neben Armut die soziale Frage unserer Zeit heute mehr denn je. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum sowohl für die Zielgruppen Sozialer Arbeit als auch für das Personal im sozialen Bereich“, sagt Grit Schneider für das Bündnis München Sozial.

Dr. Reinhard Bauer, Vorsitzender des Seniorenbeirats, lenkt den Blick auf die Situation der über 300.000 Senior*innen in München.

„Viele von ihnen, besonders Frauen, haben nur geringe Einkommen und sind von Armut bedroht. Wenn sie nicht Wohneigentum besitzen, in einer Genossenschaft oder öffentlich geförderten Wohnung leben, wird für viele Rentnerinnen und Rentner München unbezahlbar. Die Situation wird durch die Inflation noch verschärft.“

Aber auch für Menschen mit mittlerem und gutem Einkommen ist die Stadt oft nicht mehr bezahlbar – das zeigt der Rechtsanwalt Dr. Florian Prugger auf, der seit 21 Jahren Mieter einer 3,5-Zimmer-Wohnung in Schwabing ist: ein Altbau mit Kastenfenster und vielen kleinen Mängeln, die seine Familie oft selbst repariert hat.

„Die Hausgemeinschaft hilft sich, hält zusammen, feiert zusammen. Meine Frau und ich haben hier vier Kinder groß gezogen. Nun hat die Erbengemeinschaft, die das Haus seit seiner Erbauung 1910 vermietet hat, an einen Investor verkauft. Man munkelt zwischen 12 und 24 Millionen Euro. Wir müssen damit rechnen, dass solche Investoren ihr Investment wieder ,reinholen‘ wollen, und das geht nur durch neue, reiche Mieter, Luxussanierungen, Mieterhöhungen, fingierte Eigenbedarfskündigungen und  Entmietungen. Die Stadt prüft gerade ihr Vorkaufsrecht – wie ich erfahren habe, kann sie dies aber nicht ausüben, weil das Gesetz Mängel aufweist.“

Auch die katholische Kirche appelliert an die FDP:

„Alles, was zu menschenwürdigem Leben und Wohnen beiträgt, ist zu unterstützen. Dafür brauchen wir ein starkes Vorkaufsrecht der Kommunen mit Rechtssicherheit. Deshalb hoffen wir, dass die göttlichen Eingebungen des Münchners im Himmel in dieser Frage endlich auch die FDP erreichen“, sagt Markus Grill vom KAB-Diözesanverband München und Freising.

Damit Menschen nicht aus der Stadt verdrängt werden, braucht es wirksame Instrumente.

„Das kommunale Vorkaufsrecht ist ein elementarer Baustein, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Der Mieterbeirat unterstützt die Aktion, damit Mieterinnen und Mieter mit geringen Haushaltseinkommen auch künftig noch einen Platz in der Mitte unserer Stadtgesellschaft haben“, sagt Gabriele Meissner vom Mieterbeirat München.

Foto: Die Sprecher*innen der Demo von links: Volker Rastätter (Mieterverein München), Dr. Reinhard Bauer (Seniorenbeirat), Gabriele Meissner (Mieterbeitrag), Markus Grill (KAB-Diözesanverband München und Freising), Grit Schneider (Bündnis München Sozial), Dr. Florian Prugger (betroffener Mieter), Margarete W. (betroffene Mieterin).

Fotograf: Sigi Jantz

 

 
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