Wir müssen handeln – jetzt!

Das Wohnproblem lösen. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben nach der Bundestagswahl. Wir haben die Parteien gefragt, wie sie das schaffen wollen.

Simone Burger (li.) und Monika Schmid-Balzert (re.) vom Mieterverein befragten die Bundestagskandidierenden.

Es ist eine Mammutaufgabe. Aber eine, die den sozialen Frieden gefährdet, wenn sie nicht angegangen wird: Bezahlbarer Wohnraum ist in den Ballungsgebieten in Deutschland Mangelware. Wie wollen Münchner Kandidierende für den Bundestag das Wohnproblem nach der Wahl am 23. Februar lösen? Um diese Frage zu klären, haben der DMB Mieterverein München und der Deutsche Gewerkschaftsbund Region München Politiker*innen der im Bundestag sitzenden demokratischen Parteien eingeladen. Bei „Mietenwahnsinn in München: Jetzt frag i“ konfrontierten Mitte Januar Mietergemeinschaften die Kandidierenden mit den drängendsten Problemen des Wohnungsmarktes.

Im Fat Cat Kulturzentrum im ehemaligen Gasteig stellten sich Seija Knorr-Köning (SPD), André Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), Christian Schwarzenberger (Die Linke), Claudia Küng (CSU) und Daniel Föst (FDP) den Fragen der Mietaktivist*innen. Durch die Veranstaltung führten Monika Schmid-Balzert (Mieterverein München) und Simone Burger (DGB Region München und Mieterverein München).

„Das Thema Mieten und Wohnen ist drängender denn je“, eröffnete Monika Schmid-Balzert die Runde und leitete dann zügig über zur ersten Frage einer Mieterin. Mit „Pro“- und „Contra“-Schildern waren die Politiker*innen aufgerufen, sich bei den gestellten Fragen der Mieterinitiativen eindeutig zu positionieren. Antworten durfte für die „Pro“- und „Contra“-Fraktion dann bei jeder Frage je eine Person ausführlich. Mietervereins-Mitglied Elke Gaber stellte die erste Frage. Die Münchnerin hat selbst erfolgreich mithilfe des Mietervereins die Mietpreisbremse gezogen – und dadurch ihre monatliche Miete um 360 Euro gesenkt. Zusätzlich hat sie mehr als 4000 Euro zu viel bezahlte Miete zurückbekommen. Doch da unter der Ampelregierung aufgrund einer langen Blockade durch die FDP eine Verlängerung der Mietpreisbremse nicht mehr zustande kam, könnte dieses Gesetz Ende 2025 auslaufen. Die neue Bundesregierung muss schnell handeln, damit Mieter*innen zumindest vor extremen Preisschocks weiterhin geschützt sind, wenn sie einen Mietvertrag unterschreiben.

Gaber wollte deshalb wissen: „Was tun Sie dafür, um die Mietpreisbremse zu verlängern?“ Die Mietpreisbremse könne die Wohnungsmisere nicht alleine beenden und habe ihre Schwächen, helfe aber Mieter*innen, ihre Rechte durchzusetzen, so die Münchnerin. Gegen eine Verlängerung der Bremse sprachen sich Claudia Küng (CSU) und Daniel Föst (FDP) aus. Dafür Christian Schwarzenberger (Die Linke), Seija Knorr-Köning (SPD) und André Hermann (Die Grünen). Ein Stimmungsbild, das sich im Laufe der Veranstaltung immer wieder zeigen sollte. Mit der Mietpreisbremse würden die Probleme nicht gelöst, so Claudia Küng in Richtung von Gaber: „Das ist eine Sache von Einzelfällen. Man muss den Mut haben und Sie hatten den Mut.“ Das Problem müsse strukturell angegangen werden, indem mehr Angebot geschaffen werde. Eigentümer*innen müsse Mut gemacht werden zu vermieten. Seija Knorr-Köning (SPD) sah das anders: Ihre Partei fordere eine Entfristung der Mietpreisbremse. „Und das ist nur ein Baustein, damit Wohnraum, der jetzt schon teuer ist, in Zukunft nicht noch teurer wird.“ Etwa wolle die SPD Indexmieten, also Mieten, die an den Verbraucherpreisindex gekoppelt sind, deckeln.

SPD: Seija Knorr-Köning

arbeitet als Pflegefachkraft, kandidiert im Wahlkreis München West-Mitte

Im Bundestagswahlprogramm steht zum Wohnen u. a.:

»Die Mietpreisbremse soll unbefristet und auch für Immobilien, die bis 2019 bezogen wurden, gelten, um langfristig für (…) bezahlbare Mieten in angespannten Wohnungsmärkten zu sorgen.« Und: »Wir wollen den dramatischen Anstieg der Mieten in Ballungsgebieten stoppen. Deswegen wollen wir, dass in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt nur eine maximale Mietsteigerung von sechs Prozent in drei Jahren bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gestattet ist.« Weiter: »Die Schaffung und der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum ist eine staatliche Daueraufgabe.«

Die Grünen: André Hermann

arbeitet als Krisenmanager, kandidiert im Wahlkreis München-Ost

Im Bundestagswahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:

»Wir werden die Mietpreisbremse verlängern und sie durch die Abschaffung von Ausnahmen verschärfen. Wir wollen die Mietpreisbremse außerdem bereits auf Wohnungen anwenden, die älter als fünf Jahre sind.« Weiter: »Die Vermietung möblierter Wohnungen muss streng reguliert (…) werden. Zudem werden wir Mieterhöhungen durch eine Senkung der Kappungsgrenzen begegnen.« Und: »Den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau unterstützen wir, indem im Bund die Fördermittel für sozialen Wohnungsbau erhöht werden.«

Die nächste Frage stellte Gerhard Metzger von der Bürgerinitiative „#ausspekuliert“. Er wollte wissen, welche Partei plane, das kommunale Vorkaufsrecht wieder rechtssicher einzuführen. Das Vorkaufsrecht hatte es Kommunen ermöglicht, Häuser zu kaufen, wenn sich Investor*innen in einer sogenannten Abwendungserklärung nicht bereit erklärten, Mieterschutzregeln einzuhalten. Doch seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2021 ist das Vorkaufsrecht für Kommunen im Grunde nur noch für „Schrottimmobilien“ anwendbar. Auch der Mieterverein fordert, dass das Vorkaufsrecht gesetzlich neu aufgestellt wird, damit Städte wie München es wieder nutzen können. Ihr „Contra“-Schild bei dieser Frage zeigten CSU und FDP, für eine Wiedereinführung eines rechtssicheren Vorkaufsrechts waren SPD, Grüne und Linke.

Daniel Föst (FDP): „Statt so viel Geld für Bestandsimmobilien auszugeben, soll die Stadt München sich darauf konzentrieren, neuen Wohnraum zu schaffen.“ In der politischen Debatte werde immer wieder Wien als positives Beispiel beim Bereich Wohnen genannt. „Wien hat sehr viele Wohnungen im eigenen Eigentum. Die kaufen sie aber nicht, die bauen sie.“ Christian Schwarzenberger (Die Linke) entgegnete: „Die Änderung, um das Vorkaufsrecht wieder herzustellen, ist gar nicht so kompliziert.“ Leider habe die Ampel dies nicht hinbekommen, trotz vieler Versprechungen. „Und das ist schwach.“ Keiner sage, dass nicht gleichzeitig gebaut werden solle und die Kommunen und öffentlichen Träger wie in Wien Wohnungen selbst schaffen sollten. „Natürlich ist das wichtig. Aber auf der anderen Seite ist der Schutz der Mieterinnen und Mieter wichtig.“ Dafür sei das Vorkaufsrecht ein Baustein.

Auf die extremen Schwierigkeiten für junge Menschen in München, bezahlbare Wohnungen zu finden, machte David Vadasz vom „Arbeitskreis Wohnen der Münchner Studierenden“ aufmerksam. Seine Frage: „Möchten Sie in größerem Maß als bisher bezahlbares Wohnen für junge Menschen fördern – und wenn ja wie?“ Dieses Mal: Fünf „Pro“-Schilder. André Hermann (Die Grünen): „Das Problem ist, dass auch in München mit Boden spekuliert wird. Das ist ein weiterer Faktor, der dazu führt, dass wir keinen bezahlbaren Wohnraum anbieten können.“ 800 Euro für ein WG-Zimmer sei Wahnsinn, gerade wenn man sich die aktuellen BAföG-Sätze ansehe. Als kurzfristige Maßnahme müssten diese erhöht werden. Außerdem müsse das gemeinwohlorientierte Bauen finanziell gefördert werden.

Die Linke: Christian Schwarzenberger

ist Diplom-Ingenieur für Energie- und Prozesstechnik, kandidiert im Wahlkreis München-Nord

Im Bundestagswahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:

»Wir wollen, dass niemand mehr Angst haben muss, bei der nächsten Mieterhöhung aus der Wohnung zu fliegen. Deswegen wollen wir einen bundesweiten Mietendeckel durchsetzen.« Weiter: »Staffelmieten und Indexmietverträge wollen wir verbieten und die Vermietung möblierter Wohnungen streng regulieren.« Und: »Wir wollen den Kündigungsschutz ausweiten und fordern Dauermietverträge für alle.« Weiter: »Wir stehen an der Seite von ›Deutsche Wohnen & Co. enteignen‹. Wir wollen den Wohnbestand von Immobilienkonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen vergesellschaften (…).«

CSU: Claudia Küng

ist Diplom-Volkswirtin, kandidiert im Wahlkreis München-Süd

Im Bundestagswahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:

»Um den Markt zu entspannen, hilft nur mehr Angebot. (…) Dafür senken wir die Baukosten durch mehr Bauland und niedrigere, sinnvolle Standards.« Weiter: »Den Werbungskostenabzug passen wir an, damit derjenige, der weniger als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt, künftig keine steuerlichen Nachteile hat.« Und: »Wir stehen für einen wirksamen und angemessenen Mieterschutz – dazu gehören auch die Regeln zur Miethöhe. (…) Der soziale Wohnungsbau muss solide gefördert und das Wohngeld regelmäßig angepasst werden.«

Aktuell Sorge vor Gentrifizierung hat die „Mietergemeinschaft Bauerstraße“ aus Schwabing, deren Haus verkauft wurde und modernisiert wird. Häufig werden dann Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Seit 2021 haben die Bundesländer die Möglichkeit, in angespannten Wohnungsmärkten Umwandlungen nur zu erlauben, wenn eine Genehmigung erteilt wird, jedoch läuft das Gesetz Ende 2025 aus. In Bayern gilt die Regelung auf Entscheidung der Landesregierung hin erst seit 2023 und nur für Häuser mit mindestens elf Wohnungen. Friedrich Schuster von der Mietergemeinschaft wollte wissen, wie die Parteien zum sogenannten Umwandlungsverbot stehen und ob sie eine Entfristung und Verschärfung befürworteten. FDP und CSU zeigten das „Contra“-Schild, das „Pro“-Schild hielten Grüne, Linke und SPD hoch. Claudia Küng (CSU): „Wir haben in München ein Riesenproblem mit dem Thema Altersarmut. Und einer der Gründe ist, dass Menschen sich hier keine Wohnungen leisten können – und zwar kaufen können.“ Es müssten Anreize geschaffen werden, Eigentum zu bilden. Seija Knorr-Köning (SPD) hingegen hielt das Umwandlungsverbot für wichtig, weil die meisten Münchner*innen ihre Wohnung nie kaufen könnten. Die monatliche Rate sei selbst für Gutverdienende oft ein zu großes Risiko. „Und deswegen ist es so notwendig, einzugreifen.“

FDP: Daniel Föst

ist seit 2017 im Bundestag, kandidiert für den Wahlkreis München-Nord

Im Bundestagswahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:

»Wir (…) wollen die Mietpreisbremse abschaffen und einen bundesweiten Mietendeckel verhindern. Die Möglichkeiten zur Abschreibung für Wohnungsbauinvestitionen wollen wir verbessern.« Weiter: »Auch die zahlreichen Regelungen im Rahmen sogenannter Erhaltungsverordnungen oder das immer komplexer werdende Mietrecht machen die Vermietung von Wohnraum unnötig kompliziert.« Und: »Wir (…) wollen ein Baulücken- und Potenzialflächenkataster einführen. (…) Hindernisse bei der Wiederverwertung von Brachflächen sind konsequent zu beseitigen.«

Ob nicht auch in die Bodenpreise stärker eingegriffen werden sollte, wollte Florina Vilgertshofer vom „Jungen Forum“ der Bürger-Stadtentwicklungsplattform „Münchner Forum“ wissen. Denn mittlerweile mache der Bodenpreis bei Neubauvorhaben in München den Großteil der Kosten aus. Mit Grund und Boden, was ein öffentliches Gut sei, dürfe nach wie vor spekuliert werden. „Hat Ihre Partei vor, das Bodenrecht zu reformieren und leistungslose Gewinne abzuschöpfen, um Spekulation zu verhindern oder auch einzudämmen?“ Bei den „Pro“- und „Contra“-Schildern zeigte sich das bekannte Bild: CSU und FDP dagegen, SPD, Linke und Grüne dafür. Genau dieser Schritt sei das „A und O“, sagte Christian Schwarzenberger (Die Linke). Auch die Bayerische Verfassung sage, dass Bodenwertsteigerungen, die ohne eigenes Zutun zustande kämen, abgeschöpft gehörten für die Allgemeinheit. Man müsse an die Bodenpreise ran, denn sonst könne kein bezahlbarer Wohnraum entstehen. Die abschließende Frage der Mieterinitiativen stellte Matthias Weinzierl von der Kampagne „Mietenstopp!“, die auch der Mieterverein München unterstützt. „Wollen Sie und Ihre Partei einen temporären Mietenstopp?“

CSU und FDP sprachen sich gegen einen Mietenstopp aus. Daniel Föst (FDP): „Der Mietendeckel hat in Berlin zu einem Zusammenbruch des Angebots geführt, und genau das wird passieren, wenn man das deutschlandweit macht.“ Die Linke plädierte „pro“ Mietenstopp. Seine Partei fordere sogar einen weitergehenden Mietendeckel, bei dem sehr hohe Mieten auch abgesenkt werden dürften, so Christian Schwarzenberger (Die Linke). Ein halbes „Pro“ Mietenstopp zeigten SPD und Grüne. Die SPD fordere die Möglichkeit für Bundesländer, einen Mietenstopp auf regionaler Basis einzuführen, so Seija Knorr-Köning. André Hermann (Grüne) sah das persönlich auch so, der Beschluss seiner Partei stand aber noch aus: „Regional macht es sehr viel Sinn.“ Wie genau ein Mietenstopp aussehen könnte, bleibt in beiden Wahlprogrammen vage. Wenn auch eine bundesweite Regelung aus Sicht des Mietervereins vorzuziehen wäre, hätte eine Öffnung für die Länder ein Gutes: Ein neues Mietenstopp-Volksbegehren in Bayern wäre möglich.

Text: Ramona Weise-Tejkl
Fotos: Philipp Gülland 
Illustration: Jannik Stegen

 
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