Vorkaufsrecht: FDP muss Ernst der Lage endlich erkennen

München braucht dringend ein rechtssicheres Vorkaufsrecht – „die FDP muss sofort umdenken und den Ernst der Lage endlich erkennen“, sagt Simone Burger, stellvertretende Vorsitzende  des DMB Mietervereins München. Die Ampel-Koalition müsse das Baugesetzbuch ändern, damit Städte wie München, Berlin oder Hamburg das Vorkaufsrecht wieder ausüben könnten. Die drei Städte haben am Mittwoch eine gemeinsame Initiative angekündigt, um  zu einer schnellen Gesetzesänderung zu kommen. Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte jüngst im Bundestag: „Wichtig ist auch, dass die Kommunen schnell wieder Rechtssicherheit beim Vorkaufsrecht haben und wir dafür nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine gute Lösung finden.“ Die Grünen scheinen neben der SPD gewillt, das Vorkaufsrecht wieder auf sichere Beine zu stellen. Doch von der FDP waren immer wieder kritische Stimmen zu hören. Der Tenor: Das Vorkaufsrecht sei nicht so wichtig für den Mieterschutz.

Es besteht dringender Handlungsbedarf

Genau das Gegenteil sei der Fall, sagt Simone Burger. „Das Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten ist extrem wichtig für Mieterinnen und Mieter in München. Wenn sich der Käufer oder die Käuferin nicht an die Regeln der Stadt hielt und sich nicht bereit erklärte, eine sogenannte Abwendungserklärung zu unterschreiben, hatte diese das Recht, das Haus zu kaufen. Mieter*innen brauchten mit einer städtischen Vermieterin dann keine Angst vor extremen Mieterhöhungen mehr zu haben. Und so erhielten langfristig auch Menschen ein Zuhause, die es sonst schwer haben auf dem Wohnungsmarkt. Dies, weil sie mit ihrem Einkommen nicht die aufgerufenen Mietpreise zahlen können. Auch durch abgegebene Abwendungserklärungen wurde diesen Menschen geholfen: hier müssen frei werdende Wohnungen zu Konditionen von geförderten vermietet werden.“ Ohne das Vorkaufsrecht oder eine unterschriebene Abwendungserklärung hingegen könne ein neuer Eigentümer oder eine neue Eigentümerin die Miete alle drei Jahre um 15 Prozent bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen und durch Modernisierungen auch über die ortsüblichen Miete treiben. Und nicht jede Modernisierung führt zu einer Verbesserung der Wohnsituation. Folge von all dem ist oftmals, dass Mieter*innen verdrängt werden und ein neues, vermögenderes Klientel einzieht. Wie besorgt viele Menschen sind, zeigt etwa eine Kundgebung für das Vorkaufsrecht in München am heutigen Donnerstagmorgen, unter anderem unterstützt durch den Landesverband Bayern des Deutschen Mieterbundes.

Dringender Handlungsbedarf besteht, weil ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 die Ausübung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten weitgehend kippte. Es zählt laut des Urteils nicht, ob deutlich absehbar ist, dass die Bewohner*innen eines Hauses in Zukunft verdrängt werden könnten. Sondern nur, ob ein Gebäude weitgehend leer steht oder verkommt. Simone Burger: „Im Baugesetz muss nun klar gestellt werden, dass es eben schon darum geht, Mieter vor Verdrängung zu schützen durch das Vorkaufsrecht.“

 

Hier unsere FAQs zum Thema Vorkaufsrecht:

Darum ist das Vorkaufsrecht so wichtig für Kommunen

„Wir müssen prüfen, ob das Vorkaufsrecht tatsächlich so eine wichtige Rolle für den Milieuschutz spielt, wie es von manchen politisch vermutet wird“, sagt Daniel Föst, Bundestagsabgeordneter der FDP aus München und wohnungspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Das sei die „Kernfrage“, so Föst. „Wenn da was dran ist, wird die Ampel handeln.“ Föst selbst hat erhebliche Zweifel: „Die Kommunen haben in Erhaltungssatzungsgebieten erheblich schärfere Schwerter als das Vorkaufsrecht, zum Beispiel, dass alles unter Genehmigungsvorbehalt steht, was zu einer Mieterhöhung führen kann.“

(Ausschnitt aus der Süddeutschen Zeitung, FDP gegen schnelle Änderung des Gesetzes zu Vorkaufsrechten, 6.12.2021)

Wir unterstützen die FDP gerne bei der Klärung dieser Frage:

  1. Welche Rechte hat eine Kommune in einem Erhaltungssatzungsgebiet?

Es gelten drei grundsätzliche Instrumente in Erhaltungssatzungsgebieten:

  • Eine Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum oder Teileigentum.
  • Eine Genehmigungspflicht für Baumaßnahmen mit dem Ziel, dass kein überdurchschnittlicher Standard entsteht.
  • Beim Verkauf eines Hauses hat die Stadt ein Vorkaufsrecht.

 

  1. Wie wichtig sind die zwei verbliebenen Instrumente?

Nachdem das Vorkaufsrecht nur noch in sehr engen Grenzen genutzt werden kann, verbleibt die Genehmigungspflicht bei Baumaßnahmen. Diese betrifft alle baulichen Maßnahmen: von der Modernisierung über eine Nutzungsänderung bis hin zum Abbruch. Aber was kann eine Kommune darüber verhindern?

2020 hat die Stadt Genehmigungen für 1298 Wohneinheiten erteilt. In den meisten Fällen handelte es sich um eine Modernisierung, die auf die Miete umgelegt werden kann. Etwa für den Anbau von Balkonen, den Einbau von Aufzügen und für Fassaden-Dämmungen im Rahmen der energetischen Sanierung. 46 Anträge lehnte die Stadt ab.*)

Die Stadt kann über dieses Instrument nur eine Modernisierung über den allgemein üblichen Standard verhindern. Zum Beispiel den Bau von sehr überdurchschnittlich großen Balkonen oder den Einbau eines Schwimmbads. Aber auch eine „normale“ neue Fassade führt über die Modernisierungsumlage zu einer höheren Miete und damit zu einer stärkeren Belastung von Mieter*innen. Von den Kosten für die Modernisierung dürfen Vermieter*innen maximal 3 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche auf die Mieter*innen umlegen. Bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung wären das 300 Euro mehr Miete jeden Monat. Zu viel für viele Menschen. Deshalb reicht dieses Instrument nicht, um Mieter*innen zu schützen. Auch wenn es extreme Auswüchse bei Modernisierungen verhindert und wichtig ist.

Und die Genehmigungspflicht bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum? Eine Umwandlung in Eigentum bedeutet für viele Mieter*innen, dass sie langfristig gesehen eine Eigenbedarfskündigung erhalten werden. Sie müssen dann eine neue bezahlbare Wohnung finden – in München extrem schwierig

Die Genehmigung für die Umwandlung muss die Stadt unter anderem erteilen, wenn ein Verbot wirtschaftlich nicht zumutbar ist – im Erbfall für die Erben, für Familienangehörige, wenn es eine Vormerkung im Grundbuch gibt oder wenn an die Mieter*innen veräußert wird. 2020 wurden 65 Anträge in Bezug auf 1382 Wohneinheiten genehmigt. Bei 930 erfolgte nur eine Aufteilung in verschiedene Blöcke (keine Eigenbedarfskündigung möglich). Bei 328 Wohneinheiten gab es eine Vormerkung im Grundbuch und bei 124 erfolgte die Aufteilung im Erbfall.*)

Dieses Instrument ist wichtig, denn ohne es wären viel mehr Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Jedoch muss die Stadt in einigen Fällen die Genehmigung erteilen. Und die Mieter*innen haben generell nicht die Sicherheit einer städtischen Vermieterin, die etwa keine Eigenbedarfskündigungen aussprechen kann.

 

  1. Was fehlt mit dem Vorkaufsrecht in der bisherigen Form?

Vorkaufsrechte schützen Mieter*innen in dreifacher Form:

  • Kauft die Stadt das Haus, dann werden die Wohnungen Teil des Bestands der städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Durch die städtischen Vorgaben sind Mieter*innen geschützt. Gleichzeitig sind dadurch mehr Wohnungen in städtischer Hand und die Handlungsmöglichkeiten der Stadt steigen. Die Stadt Wien zeigt, wie ein hoher Bestand an öffentlichen Wohnungen den Mietmarkt entspannen kann.
  • Wer ein Haus kaufen möchte, muss eine Abwendungserklärung So sind die Mieter*innen auch bei einem Verkauf geschützt. Aktuell muss sich der*die Käufer*in etwa verpflichten, frei werdende Wohnungen mit Menschen zu belegen, die Anspruch auf eine München-Modell-Wohnung oder eine Sozialwohnung haben.
  • Durch die Neuregelung des Baugesetzbuches im letzten Jahr, kann die Stadt mit dem Vorkaufsrecht Einfluss auf den Preis nehmen. Mit der Preislimitierung kann sie den Preis auf den Verkehrswert limitieren. Damit können über Vorkaufsrechte auch hoch spekulative Verkäufe gestoppt werden. Das ist gut für Mieter*innen: Denn je weiter die Preise nach oben getrieben werden, desto wahrscheinlicher ist, dass sie letztendlich auch verdrängt werden. Denn der hohe Preis muss sich für Investor*innen lohnen.

 

  1. Was folgt daraus?

Die Genehmigungspflichten in Erhaltungssatzungsgebieten sind wichtig, aber sie reichen nicht aus, um Mieter*innen zu schützen. Und mit dem Vorkaufsrecht fehlt ein wichtiges Instrument des Mieterschutzes. Wir können nicht darauf verzichten.

 

*) Quelle: https://risi.muenchen.de/risi/sitzungsvorlage/detail/6527286

 

Pressemitteilung vom 27.1.2022

Foto: ©Mapics – stock.adobe.com

 
Hier erreichen Sie uns