Modernisierungs-Schock für tausende Münchner Mieter

Neue Rechtslage wird wohl erst in Jahren gegen legale Entmietung helfen

Fast verdoppeln soll sich die Kaltmiete von Veronika und Gerold K. Foto: Mieterverein/Gülland

Fall 1

Der Hammer ist kurz vor Neujahr per Bote bei Veronika (61) und Gerold K. (64) in der Brahmsstraße angekommen. In Form einer Modernisierungs-Ankündigung. Fast verdoppeln soll sich die Kaltmiete für ihre Wohnung in Bogenhausen: Um 526,84 Euro. Zukünftig betrüge ihre Miete dann 1.107,21 Euro kalt, mit Heiz- und Betriebskosten 1.327,21 Euro.

„Wir hätten uns noch vor zehn Jahren nicht erträumen können, dass wir uns die Miete in München eines Tages nicht mehr leisten können“, sagen die beiden, die seit mehr als 40 Jahren in der rund 87-Quadratmeter großen Wohnung leben. „Wir fühlen uns ausgeliefert. Denn: Ein Ende ist unserer Meinung nach nicht in Sicht. Wir rechnen auch nach der Modernisierung mit weiteren Mieterhöhungen.“ Die Ex-Telekom-Angestellte ist schon in Rente. Ihr Mann, der im Öffentlichen Dienst arbeitet, geht demnächst. Die alte Miete hätten sie von ihren Renten gemeinsam gut stemmen können. Die neue? „Da bleibt uns fast nichts mehr zum Leben“, sagen die zwei.

Nun hoffen sie, wie auch einige ihrer Nachbarn, auf die Hilfe des Mietervereins. Das Haus liegt in einer Wohnanlage, in der ein Haus nach dem anderen modernisiert wurde. Nun ist der Block vom Ehepaar K. dran, rund 20 Mietparteien sind neben dem Paar betroffen. Neue Fenster, einen neuen Balkon und einen nicht-barrierefreien Aufzug soll das Ehepaar laut Ankündigung des Vermieters bekommen, auch die Fassade wird erneuert. „Das alles bringt uns sehr wenig, außer, dass wir viel mehr Miete bezahlen müssen. Was sollen wir zum Beispiel mit einem nicht mal drei Quadratmeter großen Balkon anfangen?“, sagen Veronika und Gerold K.

Fall 2

Verkäuferin Petra M. könnte sich ihre neue Miete nicht leisten. Foto: Mieterverein/Schmidhuber

Schon die Oma von Petra M. (60) lebte in der kleinen Wohnung in der Clemensstraße in Schwabing. Aus dem Jahr 1940 stammt der Mietvertrag, den die Enkelin vor 27 Jahren übernahm. Doch jetzt hat Petra M. Sorge, ihre 49-Quadratmeter-Bleibe im sogenannten Hohenzollernkarree zu verlieren. „Ich soll 645 Euro mehr Miete bezahlen als bisher. Das ist Wahnsinn – das kann ich mir nicht leisten“, sagt die Verkäuferin. In ein paar Jahren wird M. in Rente gehen. Momentan bezahlt sie für ihre Wohnung 395 Euro kalt und rund 500 Euro warm. Ihre zukünftige Kaltmiete würde 1.040 Euro betragen – eine Erhöhung um 163 Prozent.

Auch der Vermieter von Petra M. hat Modernisierungen angekündigt, die er auf die Miete umlegen darf. Und auch bei ihr kam der Brief noch vor dem Jahreswechsel an – so dass noch altes Recht gilt. Die geplanten Maßnahmen: Eine Wärmedämmung an den Außenwänden, neue Fenster und Anbau von Balkonen, Austausch der Wohnungstüren. Im Hohenzollernkarree sind insgesamt 230 Mietparteien betroffen, alleine 70 davon vertritt der Mieterverein.

Schon die Oma von Petra M. lebte in der Wohnung. Der Mietvertrag: Aus dem Jahr 1940. Foto: Mieterverein/Schmidhuber

Die Lage in München

Rund 750 Mitglieder des Mietervereins waren zwischen Januar und Dezember 2018 neu  von Modernisierungs-Ankündigungen betroffen. Eine Zahl, die sogar die Ankündigungen aus dem Vorjahr noch knapp toppt. 2017 waren es von Januar bis Dezember rund 700 neu betroffene Mitglieder. Zusammen mit älteren Fällen, die aber derzeit noch akut sind, berät der Mieterverein tausende Mitglieder nur wegen Modernisierungen. Da nicht alle Mieter Mietervereins-Mitglieder sind, liegt die Zahl der tatsächlich Betroffenen noch deutlich höher.

Alleine zwischen Weihnachten und Neujahr erhielten noch rund 120 Mietervereins-Mitglieder eine Modernisierungs-Ankündigung. So nutzten Vermieter die alte Rechtslage knallhart noch in letzter Sekunde aus – und bescherten ihren Mietern ein nachträgliches „Weihnachtsgeschenk“. Der Hintergrund: Seit 1. Januar 2019 darf der Vermieter acht Prozent der Modernisierungskosten jährlich auf die Mieter umlegen. Maximal darf die Miete jedoch  – je nach Höhe der Ausgangsmiete – um nur drei oder sogar zwei Euro pro Quadratmeter im Monat innerhalb von sechs Jahren nach der Modernisierung erhöht werden  (sogenannte Kappungsgrenze). Nach alter Rechtslage durften elf Prozent der Kosten auf die Mieter umgelegt werden – ohne Kappungsgrenze. So errechnet sich bei Petra M. aus dem Hohenzollernkarree die monatliche Miet-Erhöhung um 645 Euro – nach neuer Rechtslage wären nur 147 Euro mehr im Monat erlaubt. Die alte Rechtslage gilt noch für alle Modernisierungs-Ankündigungen bis zum Jahreswechsel.

Das sagt der Mieterverein

„So richtig wirken wird die neue Rechtslage in München erst in ein paar Jahren: Die meisten Vermieter, die modernisieren wollen, haben jetzt noch schnell vor dem Jahreswechsel die Ankündigungen rausgeschickt, dass sie ihre Mieter stärker zur Kasse bitten können. Wir halten das für unsozial“, sagt Mietervereins-Geschäftsführer Volker Rastätter. Die Rechtsberater des Mietervereins gehen nun für die betroffenen Mitglieder genau durch, was eine auf die Mieter umlagefähige Modernisierung und was eine bloße Instandsetzung ist. Außerdem können persönliche oder finanzielle Härtefälle zu einer Reduzierung der Erhöhung führen.

Beim Hohenzollernkarree gibt es noch den Sonderfall, dass die meisten Arbeiten erst ab 2021 durchgeführt werden, ab Ende 2019 lässt der Eigentümer lediglich die Fundamente für die Balkone herstellen. Volker Rastätter: „Dieses Vorgehen halten wir für nicht zulässig, weil klar wird, dass es dem Vermieter nur darum geht, Kosten nach alter Rechtslage auf die Mieter umzuwälzen. Wir werden gerichtlich dagegen vorgehen.“

Die durchschnittliche Mieterhöhung pro Quadratmeter bei den dem Mieterverein vorliegenden Modernisierungsankündigungen liegt 2018 bei rund sechs Euro, im Vorjahr waren es noch rund vier Euro. Der „Spitzenwert“ im vergangenen Jahr war eine Erhöhung von 13,43 Euro pro Quadratmeter – bei einer 100-Quadratmeter Wohnung würde also die Miete nach der Modernisierung um 1.343 Euro steigen.

Hier weitere Beispiele aus dem Jahr 2018. Sie stammen aus Mehrfamilienhäusern, in denen auch alle anderen Mietparteien entsprechende Erhöhungen angekündigt bekommen haben:

Schwabing
Wohnfläche: 108 Quadratmeter
Alte Miete: 608 €
Modernisierungszuschlag: 1.428 €
Miete neu: 2.036 €

Erhöhung um: 235 Prozent

Schwabing
Wohnfläche: 56 Quadratmeter
Alte Miete: 250 €
Modernisierungszuschlag: 573 €
Neue Miete: 823 €

Erhöhung um: 229 Prozent

Au-Haidhausen
Wohnfläche: 118 Quadratmeter
Alte Miete: 1.071 €
Modernisierungszuschlag: 1.080  €
Neue Miete: 2.151  €

Erhöhung um: 101 Prozent

Isarvorstadt/Ludwigsvorstadt
Wohnfläche: 160 Quadratmeter
Alte Miete: 1.100 €
Modernisierungszuschlag: 1.305 €
Miete neu: 2.405 €

Erhöhung um: 119 Prozent

Isarvorstadt/Ludwigsvorstadt
Wohnfläche: 39 Quadratmeter
Alte Miete: 335 €
Modernisierungszuschlag: 460 €
Miete neu: 795 €

Erhöhung um: 137 Prozent

Giesing
Wohnfläche: 88 Quadratmeter
Alte Miete: 878 €
Modernisierungszuschlag: 626 €
Miete neu: 1.504 Euro

Erhöhung um: 71 Prozent

 

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Meldung vom 31.01.2019

 
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