Einschneidendes Urteil: Aufnahme ukrainischer Geflüchteter

Reinhard P. (Name geändert) ist ein Mann, der hilft, wenn andere in Not sind. Deshalb nahm der Witwer im Mai eine ältere Dame (74) aus der Ukraine und deren Enkelin (15) in seinem Dachgeschoß auf. „Ich  bin Mieter eines Hauses, lebe mit meinen beiden Kinder auf 240 Quadratmetern Wohnfläche. Oben in unserem Dachgeschoss haben wir Platz, während die Geflüchteten aus der Ukraine in Unterkünften auf Feldbetten schlafen müssen“, sagt er. Doch die Eigentümer des Hauses in Gräfelfing wollen unterbinden, dass die Ukrainerinnen dort weiter wohnen können. Dagegen hat Reinhard P. mit Unterstützung des DMB Mieterverein München geklagt, der die Prozesskosten übernommen hat, um den Fall höchstrichterlich klären zu lassen.

Am heutigen Dienstag hat das Amtsgericht München die Klage abgewiesen, die detaillierte Urteilsbegründung steht noch aus. „Wir prüfen die Urteilsbegründung und rechnen damit, in Berufung zu gehen“, sagt Stephan Immerfall, Leiter der Rechtsabteilung beim Mieterverein München.

Die Rechtslage: Wer einen Teil seines gemieteten Wohnraums untervermieten möchte  oder wie in diesem Fall unentgeltlich Dritten überlassen will,  braucht die Zustimmung der Vermieter*innen. Unter bestimmten Umständen haben Mieter*innen aber auch ein Recht auf diese Zustimmung – wenn sie nämlich „berechtigtes Interesse“ an der Untervermietung bzw. Überlassung nachvollziehbar begründen können. Ein solches berechtigtes Interesse ist oftmals, dass Mieter*innen sich die Wohnung ansonsten nicht mehr leisten können, oder aber dass sie eine Haushaltshilfe benötigen, die mit im Haus wohnt. Aber auch humanitäre Hilfe kann ein solches berechtigtes Interesse sein.

In P.s Fall waren die Eigentümer, die auf dem gleichen Grundstück in einem anderen Haus leben, zunächst einverstanden, dass Geflüchtete für acht Wochen untergebracht werden. Danach verweigerten sie aber ihre Zustimmung.  Nach Auffassung des Mietervereins gibt es in diesem Fall aber mehrere berechtigte Interessen:  Zum einen ist inzwischen eine starke persönliche Bindung zwischen den Familien entstanden. Die ältere Dame kümmert sich mit um P.s Kinder und den Familienhund und hilft im Haushalt. Der zweifache Vater organisierte für das 15-jährige Mädchen, das durch den Krieg und den Tod der Mutter traumatisiert ist, psychologische Hilfe. Darüber hinaus ist aber auch humanitäre Hilfe ein berechtigtes Interesse

„Herr P. möchte seinen Teil dazu beitragen, den unter dem Krieg leidenden Menschen zu helfen. Dieses Urteil ist nicht nur für die beiden Ukrainerinnen einschneidend, es kann auch für viele andere Geflüchtete bedeuten, dass sie in einer ohnehin belastenden Situation zurück in Unterkünfte müssen. Wir werden uns nach Prüfung des Urteils weiter dafür einsetzen, dass humanitäre Hilfe in einer Notlage ein berechtigtes Interesse ist“, sagt Beatrix Zurek, Vorsitzende Mieterverein München.

Pressemitteilung vom 20.12.2022

 
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