So wohne ich: „Das war meine Rettung“

Zehn Jahre lang war Pietro D. wohnungslos, er lebte einige Jahre sogar auf der Straße. Heute ist seine kleine Wohnung sein Zufluchtsort.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Morgen aufwachen, alleine sein und sich dann einen Kaffee machen: Das war das Schönste für Pietro D. (66), als er endlich wieder eine eigene Wohnung hatte. 2007 ist er in sein Einzimmer-Apartment im Münchner Westen gezogen.

Bis heute lebt er hier: auf 15 Quadratmetern. Ein kleiner Raum mit einem einfachen Holzbett, einer Küchennische samt Espressokanne und einem Kleiderschrank. Der beherbergt Pietro D.s bunte Wollmützen, sein Markenzeichen. Doch für Pietro D. ist die Wohnung mehr als die 15 Quadratmeter. „Die Wohnung war meine Lebensrettung“, sagt er.

„Ich habe mich auf der Straße frei gefühlt. Aber du kannst dich nie sicher fühlen“

Bevor er in sein Apartment zog, war Pietro D. rund zehn Jahre lang wohnungslos, lebte fünf Jahre davon auf der Straße. Es ist keine Zeit, von der Pietro D. gern spricht. „Keiner erzählt davon gerne, wenn es dann mal vorbei ist“, sagt er. In einer Gruppe war er draußen unterwegs. Schlief meistens nah an Gebäuden. Dort, wo es einigermaßen geschützt ist. Er nahm Tagelöhnerjobs an, hatte Geld für Essen, musste nicht betteln. „Ich habe mich auf der Straße frei gefühlt. Aber du kannst dich nie sicher fühlen, musst immer aufpassen, dass dir nichts passiert“, sagt er.

2005 dann fing er an, die Straßenzeitung „BISS“ zu verkaufen. Und mit dem Job nahm sein Leben eine Wendung. Denn über seinen ersten Verkaufsstandort vor einem Münchner Gartencenter bekam er seine Wohnung angeboten. Der dortige Chef half. Für die Wohnung bezahlt Pietro D. bis heute eine „sehr kleine“ Miete, wie er sagt.

Seinen Lebensunterhalt verdient er mit der „BISS“, die er mittlerweile am Pasinger Bahnhof verkauft. Dort steht er am Anfang des Tunnels, der zu den S-Bahnen führt. Die meisten Leute seien freundlich, erzählt er. „Und wenn jemand mal nicht nett zu mir ist, dann hab ich auch die passende Antwort parat.“ Der gebürtige Italiener ist heute sehr zufrieden mit seinem Leben. Wer mit sich selbst im Reinen sei, komme auch mit allem anderen klar, sagt er.

Von Venedig nach München

Aufgewachsen ist der 66-Jährige in der Nähe von Venedig. Seine Tante hatte eine Pension in Rimini. „Die Deutschen dort waren mir sympathisch, ich wollte schon als Kind hierher.“ 1975 zog Pietro D. dann auch in die Bundesrepublik, arbeitete in Baden-Württemberg in einer Eisdiele.

Anfang der 1980er-Jahre kam er nach München. Doch als rund zehn Jahre später seine Eltern starben und er für eine Weile nach Italien zurückkehrte, fasste er bei der Rückkehr nach München nicht mehr Fuß. Er landete schließlich auf der Straße. Eine schwierige Zeit.

Die Entwicklung, dass es immer mehr wohnungslose Menschen in München gibt, sieht Pietro D. mit Sorge. „Ich sehe auch viele Frauen, die auf der Straße leben, das kenne ich so nicht“, sagt er.

Pietro D. ist froh, dass er ein Dach über dem Kopf hat. Er ist zwar nicht streng gläubig, doch eine Person habe die Finger im Spiel gehabt, dass schlussendlich alles gut wurde, ist er sich sicher. „Ich bin überzeugt, dass mir die Gottesmutter Maria geholfen hat.“ Und deshalb lässt es sich Pietro D. nicht nehmen, ein paar Mal im Jahr der Wallfahrtskirche Maria Eich in Planegg einen Besuch abzustatten.

Stichwort Wohnungslosigkeit

Ungefähr 10.000 Menschen in München haben keine eigene Wohnung, darunter rund 1.700 Kinder. Sie sind wohnungslos, leben etwa in städtischen Notquartieren, in Mutter-Kind-Einrichtungen oder in städtischen Clearinghäusern.

Schätzungsweise 1.000 Menschen leben auf der Straße, sind obdachlos. Die Zahl der wohnungslosen Menschen in unserer Stadt hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht.

Das große Problem: In München gibt es 86.000 Sozialwohnungen. Jedes Jahr erhält die Stadt 30.000 Anträge, doch neu vergeben kann sie nur 3.500 Wohnungen pro Jahr.

Viele Menschen warten jahrelang auf eine Sozialwohnung. Wenn sie aus ihrer Wohnung rausmüssen und privat keine Wohnung finden, droht die Wohnungslosigkeit. Hilfe bekommen Betroffene zum Beispiel an der Infothek der Abteilung Wohnungslosenhilfe und Prävention des Sozialreferats (Franziskanerstraße 8).

„Die große Schwierigkeit ist vor allem das Fehlen von ausreichend bezahlbarem Wohnraum in München. Die Gefahr, wohnungslos zu werden, ist damit auch für Menschen in ganz normalen Einkommensschichten sehr hoch“, so Stephanie Thalhammer und Thomas König vom Münchner Netzwerk für Wohnungslosenhilfe.

Ramona Weise

Foto: Andreas Gebert

 
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