Zu Tisch, es gibt Arbeit

Für Millionen Deutsche sind wegen Corona die eigenen vier Wände zum Homeoffice geworden. Wie das funktioniert? Janina Ventker hat es uns erklärt. Die freiberufliche Journalistin arbeitet von zu Hause

Janina Ventker und ihr Freund Marius Hellmold im gemeinsamen Wohn- zimmer bei der Arbeit. Wichtig im Homeoffice: Auf eine klare zeitliche Struktur achten

Raus aus den Federn und ran an den Schreibtisch. Ohne Make-up und Büro-Outfit (sieht ja sowieso keiner), ohne Umweg über das Café mit dem guten Cappuccino (wegen Corona geschlossen) und ohne U-Bahn-Fahrt (zu hohe Ansteckungsgefahr). Ein solches Szenario hatten wohl viele im Kopf, als im März der Lockdown wegen der Corona-Krise kam. Landauf, landab gaben Unternehmen die Devise aus: Gearbeitet wird ab jetzt zu Hause. Viele fragten sich, wie das funktionieren kann: die eigene Wohnung als Homeoffice. Gut, wenn man jemand fragen kann, der damit Erfahrung hat. So wie Janina Ventker, freie Journalistin und Autorin des Mieter Magazins. Seit 2018 wohnt die 31-Jährige mit ihrem Freund Marius Hellmold (36) in einer 83 Quadratmeter großen Wohnung in Neuhausen-Nymphenburg an der Grenze zur Maxvorstadt.

Der Stadtteil ist groß und bunt gemischt, mit einem noch großen Bestand an Altbau- und Genossenschaftswohnungen. Dazu kamen in Schüben neue Wohngebiete, zuletzt an der Bahnachse mit Arnulfpark, Hirschgarten und Nymphenburg Süd, erzählt Anna Hanusch, Vorsitzende des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg. „Nach dem großen Wachstumsschub kommen jetzt eher noch kleinere Gebiete dazu und die laufende Nachverdichtung.“ Die ganz großen Wohnungen mit fünf Zimmern und mehr sind hier weniger zu finden als in anderen Stadtteilen, bei den Ein- und Dreizimmerwohnungen liegt der Stadtteil etwas über dem Stadtdurchschnitt.

Eine Dreizimmerwohnung ist es auch, in die Janina Ventker gezogen ist: 20 Parteien wohnen in ihrem Mietshaus von 1992, viele davon sind im Rentenalter. So wie es auch ihre Vormieterin war – die alte Dame war Erstmieterin, sie ist 2018 gestorben. Von ihr geerbt hat Ventker nicht nur einen top gepflegten Parkettboden, sondern auch die Küche: „Die war ebenfalls noch gut in Schuss, aber leider ganz vergilbt.“

Ein Fall, wie geschaffen für die freiberufliche Journalistin, die in einem anderen Leben Innenarchitektin geworden wäre. „Ich habe die Fronten neu lackieren lassen und andere Griffe angeschraubt. Jetzt sieht die Küche fast aus wie neu – für gerade mal 500 Euro.“ Auch der Rest der Wohnung bekam ein Facelift mit einem Mix aus neuen Möbeln, Erbstücken von der Oma und Einzelstücken vom Flohmarkt. An die Wände kamen Pastelltöne. Nur im Wohnzimmer ist das Experiment Wandfarbe etwas missglückt. Eigentlich sollte hier ein dezentes Rosa die Kulisse geben für die braune Couch und den Eichenholz-Esstisch. Doch irgendwas ist beim Farbmischen schiefgegangen: „Mein Stiefvater nennt das Ergebnis Leberkäs-Rosa“, erzählt Janina Ventker und lacht.

Wichtig für das geteilte Homeoffice: Spielregeln

Manchmal plant man eben etwas, doch es kommt anders: Und so arbeitet Janina Ventker statt von ihrem Schreibtisch im Arbeitszimmer lieber vom Wohnzimmer aus, mit Blick hinaus ins Grüne. „Das Internet funktioniert dort auch besser.“ An diesem Tag teilt sie den Platz mit ihrem Freund, der heute normalerweise im Büro wäre. Doch was ist in Corona-Zeiten schon normal? Damit das gemeinsame Leben und Arbeiten klappt, haben die beiden ein paar Spielregeln entwickelt. Die wichtigste: sich gegenseitig nicht stören. Stunden des Alleinseins respektieren, damit man abends entspannt zusammenkommen kann. Dazu gehört es, fürs Arbeiten immer mal wieder in unterschiedliche Räume zu gehen. Platz dafür gibt es bei dem Paar noch in der Küche und auf dem Balkon.

Der Ratsch mit den Kollegen fehlt

Wer dauerhaft im Homeoffice ist, profitiert nicht nur von einem liebevoll eingerichteten Zuhause, sondern auch von einer klaren Struktur. „Ich habe am Anfang den Fehler gemacht, mir keine eigenen Arbeitszeiten zu geben“, erzählt Ventker. Mittlerweile sitzt sie um Punkt 9 Uhr am Rechner. „Auch wenn ich mal wenig zu tun habe, setze ich mich gleich in der Früh hin. Das gibt mir das gute Gefühl, etwas geschafft zu haben.“ Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis die frühere Tageszeitungsredakteurin an ihrem heimischen Arbeitsplatz angekommen war. Heute vermisst sie kaum etwas, außer den Ratsch mit den Kollegen. „In die Kantine gehen, mitbekommen, was läuft – das finde ich schon wichtig.“ Und das ist hoffentlich für die meisten Zwangs-Heimarbeiter bald wieder möglich.

Wissenswertes zum Homeoffice
Wohnen und Arbeiten von zu Hause: Viele tun es, und meist ist das auch in Ordnung, ohne dass der Vermieter dafür eine Erlaubnis erteilen müsste. Das gilt für den Büroangestellten im Homeoffice ebenso wie für die Illustratorin, die sich ein Zimmer als Atelier eingerichtet hat. In beiden Fällen handelt es sich um Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr. Anders verhält es sich bei der Klavierlehrerin, die daheim Musikunterricht gibt oder dem Versicherungsvertreter, der häufig Kunden bei sich empfängt. In diesen Fällen gibt es rege Außentätigkeiten – und diese Art der gewerblichen Nutzung einer Mietwohnung kann der Vermieter verbieten. Tipp: Wer seine Mietwohnung gewerblich nutzen will, kann vom Vermieter formlos eine Erlaubnis einfordern. Diese muss in der Regel erteilt werden, wenn der Mieter die Wohnung zwar beruflich nutzt, das aber keine Auswirkungen auf die Mietsache oder die Nachbarn im Haus hat. Wer dagegen unerlaubt ein Gewerbe mit Außenwirkung betreibt, riskiert im Extremfall die fristlose Kündigung.

 

Text: Andrea Mertes

Fotos: Philipp Gülland

 
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