Ilka Jeschke, selbstständig

Ilka Jeschke

Frau Jeschke, wie wohnen Sie? Nach dem Tod meines Mannes wohne ich alleine in einer 93-Quadratmeter-Wohung in München-Bogenhausen. Die Wohnung ist direkt am Richard-Strauss-Tunnel beziehungsweise Mittleren Ring, zum Glück habe ich Schallschutzfenster. In dieser Wohnung lebe ich seit genau 40 Jahren – allerdings weiß ich nicht, wie lange ich mir die Miete noch leisten kann. Nach etlichen Mieterhöhungen zahle ich 1.235 Euro warm mit Garagenstellplatz – für mich alleine zu teuer.

Wie kam es, dass Sie dort eingezogen sind? 1972 bin ich nach München gezogen, habe als Sekretärin gearbeitet und wohnte damals fünf Jahre lang in einem Einzimmer-Appartement. 1977 bin ich mit meinem damaligen Freund und späteren Mann in meine jetzige Wohnung eingezogen – wir zahlten damals 612 D-Mark kalt.

Wann wurde die Miete dann zum ersten Mal erhöht? Unsere Vermieterin war eine alte Dame, die die Wohnung 1992 an Bekannte von uns verkauft hat. Es gab eine Mieterhöhung, wir haben die Wohnung selbst modernisiert und Terrakotta-Fliesen legen lassen, dafür wurde die Miete nicht ein weiteres Mal erhöht. Richtig los ging es erst 2002, als die Wohnung an einen jungen Mann verkauft wurde – die Kaltmiete mit Garage betrug damals 680 Euro. Er hat alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft und immer alle drei Jahre erhöht. 2005 starb mein Mann, das heißt, ich habe diese Mieterhöhungen dann schon alleine aufbringen müssen.

Die Miete verschlingt drei Viertel der Rente

Wie haben Sie das bezahlt? Ich habe viele Jahre als Chefsekretärin gearbeitet, fest angestellt. Mit 53 Jahren bin ich betriebsbedingt arbeitslos geworden – und bekam auf meine zahlreichen Bewerbungen nur Absagen. Deswegen habe ich mich mit meiner Firma Bürochaos-Management selbstständig gemacht, 2003 war das. Das heißt, ich helfe Privatleuten, vornehmlich Senioren, Ordnung in ihre Papiere zu bringen und lege übersichtliche Ordner an. Inzwischen organisiere ich für meine Kunden auch andere Dinge: Ich suche Plätze beim betreuten Wohnen, kümmere mich um Versicherungen, Pflegepersonal, reiche Belege bei der Krankenkasse ein usw. Seit fünf Jahren bin ich in Rente, die zwar passabel ist, aber meine Miete von 1.235 Euro warm mit Garage verschlingt drei Viertel davon. Allein meine gesetzliche und private Krankenversicherung kostet mich 450 Euro. Deswegen arbeite ich weiter – noch geht das, ich arbeite auch gerne. Aber ich bin jetzt 70 Jahre alt und muss mir ernsthaft überlegen, ob ich aus München wegziehe, weil ich mir diese Stadt im Alter nicht mehr leisten kann.

Haben Sie etwas falsch gemacht? Rückblickend wohl schon. Ich habe immer gearbeitet, habe keine Kinder. Und ich habe immer ganz gut verdient. Dass ich je in einer solchen Lage sein würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Mein Mann wollte nie eine Eigentumswohnung, die Zinsen waren hoch und wir scheuten das Risiko von unkalkulierbaren Kosten. Dass sich alles so entwickeln würde, haben wir damals nicht geahnt.

Sie wohnen auf 93 Quadratmeter. Ginge auch eine kleinere Wohnung? Ja, das ginge schon. Obwohl ich ja hier auch arbeite, und ich muss von Kunden oft Ordner mit nach Hause nehmen. Ich habe ein kleines Arbeitszimmer, das reicht je nach Arbeit manchmal nicht mehr, dann weiche ich ins Esszimmer aus. Mit einer gut geschnittenen 60 qm²-Wohnung käme ich schon zurecht. Nur wenn ich mir die Wohnungs-Inserate anschaue: Die kosten ja heute genau so viel wie meine Wohnung jetzt. Bei mir im Haus wurde eine Wohnung mit 62 Quadratmetern frei – ideal für mich. Nach der Renovierung kostete sie 1500 Euro warm – wer soll das bezahlen? Und selbst wenn ich eine Wohnung fände, da bin ich vor Mieterhöhungen auch nicht sicher. Heute scheint es Vermietern nicht mehr wichtig zu sein, einen dauerhaften, zuverlässigen Mieter zu haben, der kleine Dinge selbst repariert und pünktlich Miete zahlt. Es muss offensichtlich immer das Maximum herausgeholt werden.

Wie hat sich München Ihrer Ansicht nach verändert? Hier in Bogenhausen werden die alten Häuser abgerissen – die sind nichts Wert, die Grundstücke aber sind Millionen wert. Und die werden dann zugebaut bis an den Rand. Mit hässlichen „Bunkern“, wie ich sie nenne – quadratisch, praktisch, gut, um möglichst viele Wohneinheiten anbieten zu können. Und nur Luxus-Wohnungen. Sehen Sie, ich höre oft: Du hast doch eine gute Rente. Ja, ich weiß, ich habe es besser als Geringverdiener mit Mini-Renten. Aber bei den Mieten reicht das nicht. Ich dachte immer, ich komme im Alter zurecht – aber das München von heute ist ja nicht mal mehr für den Mittelstand bezahlbar – das ist nur noch eine Stadt für die Geldigen.

„Mein Herz hängt an München“

Was wünschen Sie sich für das Alter? Meine Mutter ist mit 83 Jahren in Oldenburg in eine kleinere Wohnung gezogen. Als sie später pflegebedürftig wurde, habe ich ihr mit Pflegedienst und Betreuungsdamen Hilfe nach Hause organisiert und war regelmäßig dort. Sie konnte bis zum Schluss in ihrer Wohnung bleiben. Das wünschen wir uns doch alle. Ich habe zwar keine Kinder, aber viele Freunde, und wir sprechen viel über das Thema, wie man sich später gegenseitig helfen kann.

Wohin würden sie ziehen, wenn es sein müsste? Nach Oldenburg, wo ich aufgewachsen bin. Ich habe dort sogar noch aus meiner Schulzeit etliche Freunde. Dort bekäme man eine 60 qm² -Wohnung für 500 bis 600Euro. Oldenburg ist eine schöne, lebenswerte Stadt mit viel Kultur, die Leute sind freundlich.

Aber? Ach wissen Sie, ich könnte längst dort sein. Aber hier habe ich viele soziale Kontakte, treibe Sport. Ich lebe seit 40 Jahren in dieser Wohnung, mein Mann ist hier gestorben. Es fällt mir sehr schwer, eine solche Entscheidung zu treffen, und ich weiß, das ist meine letzte große Entscheidung, bei der mir niemand helfen kann. Es ist einfach so: Mein Herz hängt an München.

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