Ein glückliches Leben

Ihre Wohnung ist für Bloggerin Antonia Wille ihr Rückzugsort. Sie lebt gerne alleine und musste ihre Angsterkrankung annehmen, um glücklich zu sein.

Eine Wohnung mit Garten – mitten in München. Antonia Wille (34), Journalistin, Digitalexpertin und Mode- und Lifestyle-Bloggerin (amazedmag.de), weiß, dass sie mit ihrem Zuhause großes Glück hat. Ihre Wohnung ist für sie etwas Besonderes, nicht nur, aber auch, weil sie eine Angsterkrankung hat. Die holt Antonia Wille oftmals in Alltagssituationen ein: beim Sport, beim Essengehen, wenn die U-Bahn im Tunnel stehen bleibt. Doch die Münchnerin hat sich entschieden, ihre Angst anzunehmen und ein Buch darüber zu schreiben („Angstphase: Warum ich meine Angst annehmen musste, um wieder frei und selbstbestimmt zu leben“, Piper, 16 Euro). Im Interview erklärt sie, warum ihre Wohnung so wichtig für sie ist – und warum sie selbst eigentlich kein ängstlicher Mensch ist.

Hallo Antonia, erzähle mal, wie wohnst du?

Ich wohne auf 65 Quadratmetern, in einer Zweizimmerwohnung im Erdgeschoss, im Zentrum von München. Zu meiner Wohnung gehört ein Hinterhofgarten. Meine Mitbewohnerin ist Polly, eine zwei Jahre alte Sibirische Waldkatze.

Das hört sich toll an, wie hast du die Wohnung gefunden?

Das war vor zehn Jahren, klassisch über einen Makler. Ich habe damals neun Monate lang gesucht, der Wohnungsmarkt war auch zu dem Zeitpunkt schon schwierig – zumindest für Studierende. Die Wohnung war frisch renoviert und die Miete für die damalige Zeit gehoben. Für die heutigen Verhältnisse ist sie moderat. Mein Vermieter ist sehr angenehm, und ich liebe die Wohnung.

„Der Garten ist meine Ruhe-Oase, das dritte Zimmer der Wohnung“

Was ist deine liebste Ecke in der Wohnung?

Der Garten. Dort arbeite ich, wenn es warm ist, genieße den Sommer, setze mich mit Freund*innen und Familie raus. Er ist meine Ruhe-Oase, das dritte Zimmer der Wohnung. Aber auch mein Wohnzimmer mag ich sehr. Es ist schön hell, und gerade habe ich eine neue Couch gekauft.

Wie viel von der Bloggerin Antonia steckt in der Wohnung? Auf dem Blog „Amazed“ schreibst du mit zwei Kolleginnen seit 2013 über Feminismus, Politik, Reisen, aber auch über Mode, Lifestyle und Beauty. Hast du durch deine Arbeit als Bloggerin viele Kosmetikprodukte und Klamotten zu Hause?

Durch meinen Job habe ich das große Glück, immer wieder neue Produkte kennenlernen zu dürfen. Dabei entdecke ich oft Neues, gerade im Kosmetikbereich. Generell hätte die Privatperson Antonia wohl viel weniger Produkte zu Hause als die Bloggerin Antonia. Ausmisten ist mein Hobby, ich verschenke viel an Freund*innen. Meinen Einrichtungsstil würde ich als skandinavisch-minimalistisch beschreiben. Da passt zu viel Krimskrams nicht.

„Im Alleinsein kann ich Kraft tanken“ 

Du wohnst alleine. Wie ist das in Corona-Zeiten und in Bezug auf deine Angsterkrankung für dich?

Ich kann gut alleine sein, das macht mir nichts aus. Im Alleinsein kann ich Kraft tanken, zur Ruhe kommen. Ich lese viel, schaue fern, mache Sport oder gehe in die Badewanne. Die Corona-Beschränkungen und auch das Alleinwohnen machen mir in Bezug auf meine Angststörung wenig aus. Klar, will ich nicht krank werden, und es ist mir wichtig, meine Freundinnen, Freunde und Familie zu sehen. Aber dadurch, dass ich meine inneren Dämonen sehr gut kenne und weiß, wie ich mit meiner Angst umzugehen habe, komme ich gut durch die Corona-Pandemie. Meine Wohnung ist mein Rückzugsort und damit für mich positiv besetzt. Wer Ängste hat, weiß, dass es wichtig ist, Orte zu haben, an denen man das Gefühl hat: Hier kann mir nichts passieren.

Wie würdest du deine Angsterkrankung beschreiben?

Ich bin grundsätzlich kein ängstlicher Mensch. Ich radele alleine in der Nacht durch die Stadt, schaue mir Gruselfilme an, halte Vorträge und sage immer offen meine Meinung. Meine Angststörung bezieht sich ganz konkret auf bestimmte Situationen: zum Beispiel, wenn ich mit dem Auto im Stau stehe, wenn ich alleine ins Flugzeug muss oder wenn es im Restaurant extrem voll ist. Je nach Tagesform kann ich besser oder schlechter damit umgehen. Lange war mein einziger Wunsch, dass die Angst für immer weggeht. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt: Das Gefühl der Angst immer zu bekämpfen, ist zu anstrengend. Also habe ich gelernt, die Angst anzunehmen und mit ihr durchs Leben zu gehen. Die meiste Zeit stelle ich mich den Situationen, die mir Angst machen, aber es gibt auch Tage, an denen ich heute gnädiger zu mir bin und mir auch mal bewusst eine Angstpause gönne.

Hat sich dein Umgang mit dir selbst verändert?

Auf jeden Fall. Ich bin liebevoller zu mir. Es ergibt nicht immer Sinn, sich nach einer 60-Stunden-Woche völlig gestresst auch noch in eine übervolle U-Bahn zu quetschen. Das hat nichts mit Versagen zu tun, sondern mit Selbstfürsorge. Ein anderes Mal stelle ich mich meiner Angst wieder. Ich habe gelernt, gnädiger mit mir umzugehen, wie ich es mit einer Freundin auch machen würde.

„Ich sehe die Angst nicht mehr als meinen Feind“ 

Warum hast du ein Buch über deine Angststörung geschrieben?

Es war immer mein Wunsch, dass es positive Menschen gibt, die über das Thema reden und es damit aus der Tabuzone holen. Es sind so viele Menschen von Angsterkrankungen betroffen. Und der Großteil dieser Frauen und Männer bekommt wie ich das alltägliche Leben gut hin, macht Karriere, hat Freund*innen und Familie. Und trotzdem haben diese Menschen Ängste und Panikattacken. Ich sehe die Angst nicht mehr als meinen Feind. Sie begleitet mich durchs Leben, aber sie soll mein Glück nicht beeinträchtigen.

Gibt es Strategien, die dir helfen, dass es dir gut geht?

Gerade wer wie ich viel von zu Hause arbeitet und alleine lebt, sollte darauf achten, dass er sich mindestens einmal am Tag auslüftet. Mir helfen Sport und Spaziergänge sehr. Auch ist es völlig okay, wenn es einmal Tage gibt, an denen es einem nicht so gut geht. Offenheit gegenüber Freund*innen und der Familie ist ebenfalls wichtig. Das ist in unserer Leistungsgesellschaft nicht immer einfach, aber jede und jeder von uns ist in seinem Leben mit Problemen konfrontiert. Spricht man offen darüber, reagieren die meisten Menschen mit Verständnis. Viele Leute aus meinem Bekanntenkreis haben nach der Veröffentlichung meines Buchs gesagt: Ich habe ein ähnliches Problem. Wenn wir darüber reden, wird der Druck auf die Einzelne oder den Einzelnen geringer.

Singlehaushalte

Insgesamt gibt es 870 000 Haushalte in München, mehr als die Hälfte von ihnen sind nach dem aktuellsten Bericht zur Wohnungssituation des Referats für Stadtplanung aus dem Jahr 2017 Einpersonenhaushalte. Den größten Anteil unter den Alleinlebenden stellt die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen dar mit rund 27 Prozent. Zugenommen in den vergangenen Jahren hat der Anteil der Haushalte, in denen Seniorinnen und Senioren im Alter ab 75 Jahren alleine leben. Laut Referat für Stadtplanung waren es 2017 schon rund 13 Prozent, 2011 dagegen noch 9 Prozent. Die Gründe fürs Alleinleben sind sehr unterschiedlich: Manchmal kann es erzwungen sein, wie etwa nach einer Trennung oder dem Tod des Partners oder der Partnerin. In vielen Fällen ist es aber auch eine bewusste Entscheidung.

Text: Ramona Weise-Tejkl

Fotos: Philipp Gülland (2), privat (1)

 
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