Glück auf 31 Quadratmetern
Seit einem halben Jahr wohnt die Künstlerin Barbara Lexa (54) in ihrem Traum-Zuhause: einem mobilen Minihaus aus Holz. Der Weg dahin war steinig.
Reduziert und nachhaltig leben. Nur mit dem, was Frau oder Mann wirklich braucht. Minimalismus ist im Trend. In aller Munde in dem Zusammenhang: Tiny Houses, mobile Minihäuser. Doch wie lebt es sich in so einem Zwergenhaus auf Rädern? Barbara Lexa weiß es.
Die Wolfratshauser Künstlerin wohnt seit sechs Monaten in ihrem ganz persönlichen Traum-Zuhause. Auf insgesamt 31 Quadratmetern mit einem Wohnerker, einer Kochnische und einem Doppelbett. Hinter einer Schiebetür wartet ein kleines Duschbad. Gebaut ist das Haus in einer Vollholz-Lehm-Bauweise mit einer Hanfdämmung. Wie schwierig ihr Weg zu ihrem Mini-Holzhaus war, hat die Jodellehrerin und Mundartmusikerin in zwei Büchern festgehalten („Tinyhouse Träume und Tatsachen“ Band 1: 15 Euro, Band 2: 14 Euro, balexa-verlag.de).
Hallo Frau Lexa – und Servus Ananda! So heißt Ihr Minihäuschen doch, oder?
Genau, ich habe mein Haus Ananda getauft. Das ist Sanskrit, eine altindische Sprache. Und heißt übersetzt „tiefe Glückseligkeit“.
„Ich habe Überblick über alles, was ich besitze. Das ist beruhigend“
Fühlen Sie diese Glückseligkeit in Ihrem Haus?
Es ist auf jeden Fall ein Gefühl unglaublicher Geborgenheit, wenn ich in meinem Haus bin. Ein Nestgefühl. Das Wohnen hier fühlt sich irgendwo zwischen dem Leben in einem Haus und Zelten an. Ananda ist gefedert, ich spüre innen ganz leicht, dass sie nachgibt, wenn ich herumlaufe. Es riecht sehr angenehm nach Holz und Lehm im Haus. Und: Ich habe Überblick über alles, was ich besitze. Das ist beruhigend.
Sie mussten sicher ausmisten, als Sie eingezogen sind …
Auf jeden Fall. Über die Jahre meines Lebens hatte sich so viel angesammelt. Je mehr Stauraum du besitzt, desto mehr hebst du auch auf. Ich hatte um die 13.000 Besitztümer: Kleidung, CDs, Dias, Kabelkoffer, Tassen – und jede Menge Kugelschreiber.
Womit ich voll im Normalbereich lag: 10.000 Dinge hortet der Mensch durchschnittlich in Europa. Doch ob man alle diese Dinge braucht, ist eine andere Sache. Irgendwann hast du keinen Überblick mehr. Mittlerweile habe ich nach dem Ausmisten nur noch ein Zehntel meines Besitzes: um die 1.300 Dinge. Und bin damit glücklich.
Wann sind Sie auf die Idee gekommen, in ein Tiny House zu ziehen?
Das war im Juni 2017, als ich das Buch „Einfach leben“ gelesen habe. In dem Buch geht es um Minimalismus. Und auch Tiny Houses werden vorgestellt. Da dachte ich mir: „So will ich leben!“ Dabei war mir schnell klar: Ich möchte reduziert wohnen, brauche aber einen gewissen Basiskomfort. Fließend Wasser, eine Dusche, eine Toilette. Und dann habe ich angefangen, mich umzuschauen, was es auf dem Markt so gibt.
Ihre Entscheidung fiel auf Ananda, die eher an ein kleines Haus erinnert, als an einen Wohnwagen …
Bei Tiny Houses gibt es die, die zum Beispiel mit einem SUV gezogen werden dürfen. Diese Häuser müssen sehr leicht sein, von daher dürfen sie auch nicht sehr massiv gebaut sein. Und es gibt solche wie Ananda, die auf einen LKW-Anhänger müssen, um bewegt zu werden. In ihnen kann auch viel aus Holz gebaut sein, so wie in meinem Haus.
Warum war Ihnen das wichtig?
Ich möchte in keiner Plastikhülle leben. Sonst hätte ich mir einen Wohnwagen holen können. Mein Ziel war es, in einem Haus zu leben, bei dem mein ökologischer Fußabdruck möglichst klein ist.
„Wir sind in Deutschland einfach noch nicht auf diese Art des Wohnens eingestellt“
Sie hatten zuerst auch überlegt, ein Grundstück für Ihr Minihaus zu mieten.
Zuerst hatte ich eine Zusage für ein geplantes Tiny-House-Dorf in Neuburg an der Donau. Ich gab Ananda also in Auftrag, 2019 war das. Doch dann erfuhr ich, dass sich die Genehmigung des Dorfes unabsehbar in die Länge ziehen würde. Also überlegte ich, Bauland zu pachten und mich dort mit dem Haus hinzustellen. Eine Wiese mit Alpenblick, das wäre mein Traum gewesen. Es war auch nicht das Problem, dass ich nicht genügend Angebote erhalten hätte auf die Anzeige, die ich geschalten habe. Es gab genug Menschen, die mir ihren Baugrund für eine gewisse Zeit verpachtet hätten. Aber die Satzungen der Gemeinden spielten in vielen Fällen nicht mit, und es gab in den Rathäusern viele Vorbehalte. Außerdem muss so ein Tiny House genauso genehmigt werden wie ein normales Bauvorhaben. Komplett an der Philosophie eines mobilen Hauses vorbei. Wir sind in Deutschland einfach noch nicht auf diese Art des Wohnens eingestellt.
Eine schwierige Situation.
Ich war verzweifelt und dachte mir: „Dann musst du das Ding wieder verkaufen.“ 145.000 Euro hatte ich da für das Haus schon ausgegeben. Die Bauweise mit viel Holz und der ausgeklügelten Heizungstechnik hat ihren Preis. Ich hab dann mit dem Universum gesprochen und dachte mir: „Ich kann nicht mehr.“ Ich habe damals in meinem Elternhaus gewohnt und gleichzeitig zu diesem Gedanken aus dem Fenster geschaut. Mein Blick ging auf die Nachbarhäuser, die sind eng nebeneinander gebaut. Da kam mir der Gedanke, dass der Garten meines Elternhauses auch Baugrund sein könnte. Die Gemeinde meinte auf meine Nachfrage hin, das könnte klappen. Das endgültige Okay gab das Landratsamt. Jetzt steht Ananda seit Herbst 2020 im Garten meiner Eltern – und da wird sie erst mal für längere Zeit auch bleiben. Denn ich musste alles so beantragen und bauen, wie wenn ich ein normales Haus planen würde. Ich musste mir zwei Parkplätze einrichten und mir einen Kanal- und Wasseranschluss holen. Insgesamt hat mich das noch mal mehrere Zehntausend Euro gekostet. Und das, obwohl ich mit meinem Haus eigentlich ganz autark leben könnte. Dank Grünkläranlage und Solarpaneelen zum Beispiel.
„Diese Häuser können eine gute Möglichkeit sein, Wohnraum zu schaffen“
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Erst mal bin ich sehr dankbar und zufrieden, dass mein Haus nun legal auf dem Grundstück steht. Ich wünsche mir, dass sich ein Weg für mehr Tiny-Häuser in Deutschland auftut. Denn in Zeiten steigender Mieten und extrem hoher Kaufpreise können diese Häuser eine gute Möglichkeit sein, Wohnraum zu schaffen. Für Eigentümer*innen und Mieter*innen.
Grundstücke können begrenzt für 10 oder 15 Jahre für Minihäuser verpachtet werden und werden so genutzt. Ich bin offen, anderen Menschen zu zeigen, wie ich lebe. Denn es gibt noch viele Vorurteile. Nicht alle Menschen, die sich für Tiny-Häuser interessieren, sind Hippies oder verrückt. (lacht)
Was ist Ihr liebster Platz in Ihrem Minihaus?
Ich sitze am liebsten mit dem Rücken an der Kühlschranktür auf dem Boden. Und wärme mir die Füße am Holzofen – das ist Entspannung pur.
Stichwort Tiny Houses
Immer mehr Menschen überlegen, ob ein Minihäuschen nicht etwas für sie wäre. In Zeiten von Wohnungsknappheit und extrem hohen Bodenpreisen eine Wohnform der Zukunft? In Erding soll nun beispielsweise eine ganze Tiny-House-Siedlung entstehen. Die Stadt verpachtet eine 7.000 Quadratmeter große Brachfläche an einen Tiny-Houses-Verein, der dann mit Tiny-House-Eigentümern Nutzungsverträge abschließt. Derzeit müssen Minihaus-Interessierte die Häuser meist erwerben und sich dann auf die Suche nach einem Grundstück zum Mieten, Pachten oder Kaufen machen. In der Zukunft ist aber auch denkbar, dass die Zwergenhäuser vermehrt komplett zur Vermietung angeboten werden.
Interview: Ramona Weise-Tejkl
Fotos: Philipp Gülland