Göttlich wohnen

Auch die Kirchen müssen gegen die Wohnungsnot aktiv werden, findet Pfarrer Georg Rieger aus Laim. Und so hat er in das alte Pfarrhaus Wohnungen einbauen lassen. Christina und Fabian Urner haben hier ein neues Zuhause gefunden.

Kaum noch bezahlbare Wohnungen in München – da muss auch die Kirche gegensteuern. Das dachte sich Georg Rieger (55), als er 2011 Pfarrer von „Sankt Ulrich“ in Laim wurde. Und da kam ihm das alte Pfarrhaus aus den 1930er-Jahren in den Sinn. Es beherbergte traditionell eine Wohnung für den Pfarrer und das Pfarrbüro. „So ein großes Haus sollte doch nicht zur Hälfte leer stehen. Wieso also nicht das Dachgeschoss ausbauen?“, sagt Rieger. Die Kirchenverwaltung des Pfarrverbunds gab 2012 ihr Okay, das Bistum finanzierte das Unterfangen.

Fabian und Christina Urner fühlen sich wohl in ihrer Wohnung
Fabian und Christina Urner fühlen sich wohl in ihrer Wohnung

Dann ging es an den Ausbau: Dämmungen mussten angebracht, Leitungen verlegt, Wohnräume geschaffen werden. 2016 konnten die ersten von insgesamt sechs Mietparteien auf zwei neu geschaffenen Stockwerken in der Lutzstraße einziehen, in einer weiteren neuen Wohnung lebt Pfarrer Georg Rieger selbst. Bei allen Mietern arbeitet mindestens ein Part im kirchlichen Umfeld. So auch bei Christina (29) und Fabian Urner (31), die in eine 65-Quadratmeter-Wohnung im zweiten Stock gezogen sind.

Fabian Urner betreut für die „Salesianer Don Boscos“ junge Menschen, die einen Freiwilligendienst in einer Einrichtung des katholischen Männerordens leisten. Seine Frau ist für eine gemeinnützige Organisation außerhalb der Kirche tätig. Im Intranet des Erzbistums haben die beiden die Wohnung gesehen. Rund 900 Euro warm bezahlen sie für die drei Zimmer. „Die Miete empfinden wir als vollkommen okay“, sagt das Paar. Auch die Kirche orientiere sich bei der Höhe der Mieten am Münchner Mietspiegel, der allgemein nicht gerade als niedrig gelte, sagt Pfarrer Rieger. Wichtig sei dem Erzbistum jedoch, dass die Mieten bezahlbar bleiben, deswegen peile es eher den unteren Rand des Mietspiegels an. Kurios: Zu günstig dürfen Mieten in Werkswohnungen auch nicht sein. Dann müssen Mieter einen geldwerten Vorteil versteuern. Und Vermieter können bestimmte Kosten nicht mehr absetzen, weil das Finanzamt die Vermietung als „Liebhaberei“ ansieht.

„Es ist wichtig, dass die Kirche ihre Gebäude nutzt“

Eher wie in einem Vorort wirkt die Laimer Gegend, in der das weiß-graue Pfarrhaus steht. Drum herum: ein großer Garten, den auch die Mieter nutzen dürfen. Für Kinder gibt’s ein Trampolin. „Die Wohnung ist super gelegen: Es ist ruhig hier. Aber so gut angebunden, dass wir kein Auto brauchen“, sagen Christina und Fabian Urner. Pfarrer Georg Rieger nennen sie ganz einfach „Georg“. Der fällt mit seiner umgänglichen und bodenständigen Art auf. Als einen „Glücksfall für Laim“ bezeichnen ihn manche Kirchenmitglieder. Der in München geborene Geistliche absolvierte nach der Schulzeit zunächst eine Bäckerlehre, bevor er das Abitur nachholte und sich entschloss, Priester zu werden. Bevor er nach Laim kam, baute er einen Pfarrverband im Landkreis Rosenheim auf.

Sich als Kirche auch bei gesellschaftlichen Problemen wie der Wohnungsnot einzusetzen, hält Georg Rieger für selbstverständlich. „Wir hatten hier lange Zeit wegen des Dachgeschossausbaus eine Baustelle. Nicht jeder mag den Dreck. Aber auch unser Kardinal Reinhard Marx betont immer wieder, wie wichtig es ist, dass die Kirche ihre Gebäude nutzt. Und deswegen denke ich, dass wir das Richtige getan haben.“ Und so wirbt Pfarrer Georg Rieger auch in anderen Pfarreien dafür, Wohnungen in Kirchengebäuden auszubauen. Freilich, nicht für jeden sei ein Zuhause in einem Kirchenhaus etwas, sagt er. „Und nicht jeder kirchliche Mitarbeiter will bei seinem Arbeitgeber wohnen.“ Aber viele Menschen seien auch dankbar über das Angebot. Die Urners fühlen sich in ihrer neuen Wohnung wohl. Wenn sich mal ein Paketbote mit Post ans Pfarramt durchs Haus durchklingelt, finden sie das nicht weiter tragisch. „Das hätten wir in einem ganz normalen Mietshaus auch, wenn die Nachbarn nicht da sind“, sagen sie. Und der göttliche Segen, der ist bei ihrem neuen Zuhause gleich gratis mit dabei.

Stichwort: Dachbodenausbau

In München fehlen laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2018 ganze 78.000 bezahlbare Wohnungen. Ein Ansatzpunkt, um hier entgegenzuwirken, können neben verstärktem Neubau auch Dachgeschoss-Aufstockung und -ausbau sein. Bauminister Hans Reichhart (CSU) kündigte im Juli an, den Dachgeschoss-Ausbau genehmigungsfrei zu machen. „An sich eine gute Idee – jedoch muss darauf geachtet werden, dass dann auch wirklich bezahlbarer Wohnraum entsteht. Und keine teuren Penthouse-Wohnungen“, sagt der Geschäftsführer des DMB Mieterverein München, Volker Rastätter. „Außerdem eignet sich auch nicht jedes Haus zum Dachgeschoss-Ausbau.“ Dieser könne grundsätzlich immer nur ein Mosaikteil sein, um den Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen, so Rastätter. Neben verstärktem Neubau müssten das Bodenrecht reformiert und die Mieten bestehender Wohnungen in den Griff bekommen werden, wie im vom Mieterverein initiierten Volksbegehren gefordert.

Ramona Weise

Foto: Philipp Gülland

 
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