Was ist der Plan?

Besuch in der maroden Studentenstadt StuSta in Freimann: Anabel Kauer und ihre Mitbewohner*innen fordern die Politik zum Handeln auf

Anabel, wie wohnst du?

Ich wohne seit 2019 in der StuSta, meine Wohnung hat rund 14 Quadratmeter, ich habe ein kleines Bad mit Dusche. In meinem Haus wohnen insgesamt 26 Studierende, es gibt zwei Gemeinschaftsküchen. Ich zahlte anfangs 380 Euro warm, inzwischen hatte ich drei Mieterhöhungen und zahle 420 Euro. Verglichen mit Kommiliton*innen, die keinen Wohnheimplatz haben und oft 800 Euro für ein winziges WG-Zimmer zahlen, ist das gut.

Wie gut ist dein Haus in Schuss?

Meines gehört zu den wenigen, die 2019 frisch renoviert bezogen wurden. Direkt daneben stehen baugleiche Häuser, alle wie meines von 1961 bis 1963 gebaut. Da zahlt man nur etwas weniger als 300 Euro, die sehen aber aus, als sei seit 1963 nichts passiert. Bei meinem frisch renovierten Haus ist oft das Problem, dass selten beziehungsweise sehr zögerlich etwas repariert wird und bereits bei der Renovierung augenscheinlich an vielen Ecken gespart wurde. Die Brandschutztüren sind teilweise falsch eingebaut, und der Boden im Keller war von Anfang an kaputt. Bei mir im Hausflur ist ein dem Studierendenwerk bekannter Wasserfleck seit Januar, mittlerweile ist es Mai, und seit Neuestem habe ich einen Wasserfleck an der Decke.

Bevor wir zu den Missständen kommen: Was ist das Gute an der StuSta?

Ganz klar die gute Lage, die relativ günstige Miete und die Gemeinschaft. Man trifft hier so unterschiedliche Menschen, Leute aus allen Kulturkreisen und mit den verschiedensten Studienrichtungen. Hier in der StuSta haben wir auch viele Möglichkeiten, auf Gemeinschaftsflächen zusammenzukommen. Wir machen zum Beispiel in unserem Haus oft internationales Dinner, da kocht jeder etwas aus seinem Land. Wenn man sich darauf einlässt, kann man gar nicht anders, als weltoffen zu werden. Und es sind hier Freundschaften entstanden, von denen ich weiß, dass sie weit über die Zeit hier halten werden. Egal, in welcher Stimmung du bist, du findest hier immer jemanden, der dazu passt: Party, Film gucken, zusammen lernen, und wenn man seine Ruhe haben will, bleibt man in seinem Zimmer.

Was hast du hier gelernt?

Das Auseinandersetzen mit anderen Menschen, das Leben in einer Gemeinschaft. Nicht mit allen würde man sich im normalen Leben zusammentun, aber man arrangiert sich trotzdem und lernt voneinander. Das Tolle ist, dass man sich hier in einem kleinen Rahmen ausprobieren kann, auch mal auf die Nase fallen kann. Ich habe gelernt, Verantwortung zu übernehmen und dass sich das auch lohnt. Dass man gemeinsam etwas auf die Beine stellen kann.

Muss du als Bewohnerin Ämter übernehmen?

Man muss nicht. Man kann sich engagieren, so viel man will. Das geht von: Ich stelle einen Kasten Bier hin, und das ist meine Party, bis hin zu: Ich opfere mich auf im täglichen Kontakt mit dem Studierendenwerk. Wir haben ein Kulturfestival, das Stustaculum, wir haben Tutoren, wir haben ein eigenes Café, wir verwalten unsere Finanzen im Rahmen unseres eigens gegründeten Vereins. Durch den Leerstand hat sich leider auch die Gemeinschaft total verändert – es sind jetzt statt 2500 Leuten eben nur noch rund 1000, das bedeutet, es sind auch weniger da, die sich engagieren – und uns fehlen auch die Plätze für die Gemeinschaft.

«Wie sollen Studierende eine bezahlbare Wohnung in München finden? Das Studierendenwerk hat doch eine gewisse Fürsorgepflicht»

Du hast das Wohnheim noch erlebt, bevor es 2021 zu dem Brand kam, bei dem eine Studentin gestorben ist. Was hat sich seitdem verändert?

Erst mal war das natürlich ein Schock für alle, dass das passiert ist, dass die Studentin umgekommen ist. Dann wurden sehr schnell drei große Häuser leergezogen, offenbar wegen Brandschutzmängeln. Das ging so schnell, dass die Leute teilweise während der Prüfungsphase in Hotels unterkommen mussten. In diesen Häusern waren auch zwei von uns betriebene Kneipen und eine Bar, Hausläden – also Plätze, wo man zusammenkommen konnte. Das ist seitdem alles weg.

Hast du das Gefühl, es geht etwas vorwärts?

Nicht wirklich. Das blaue Haus zum Beispiel wurde schon renoviert, als ich 2019 eingezogen bin – das ging ewig und wird jetzt erst teilweise bezogen, weil immer noch nicht alles fertig ist. Bei den anderen leeren Häusern passiert seit dem Brand de facto gar nichts. Stattdessen wird gerade das nächste Haus leergezogen. Wie sollen Studierende so kurzfristig eine bezahlbare Wohnung in München finden? Das Studierendenwerk hat doch auch eine gewisse Fürsorgepflicht. Hier wohnen so viele junge Leute, auch Familien, für die die StuSta oftmals das allererste eigene Zuhause und oft auch in einem fremden Land ist.

Was wird überhaupt gemacht?

Es werden Probleme gelöst, die gar keine sind. Wir hatten an unserem Haus zum Beispiel eine Terrasse, auf der wir uns zum Kaffee oder Grillen treffen konnten. Diese hatten wir ursprünglich bekommen, da wir dort sowieso immer saßen. Angeblich gab es Beschwerden, und dann haben sie uns die Terrasse weggerissen. Dafür waren Geld und Handwerker da. Manchmal habe ich den Eindruck, dem Studierendenwerk wäre es am liebsten, wir würden alle still und ohne „Brandlasten“ in unseren Zimmern bleiben. Wir stellen jetzt halt unsere Stühle wieder auf die Wiese. Fakt ist: Hier sind saumarode Häuser, und das muss man jetzt endlich anpacken, anstatt die Verantwortung hin- und herzuschieben.

«Wir fühlen uns im Stich gelassen. Studierende haben keine Lobby.»

Hast du eine Erklärung, warum so lange nichts passiert ist?

Nein. Offenbar waren wir nicht wichtig genug. Bei uns ist die Frustration sehr hoch, wir fühlen uns im Stich gelassen. Studierende haben keine Lobby, und die Prioritäten liegen offensichtlich woanders.

Die Staatsregierung hat nun angekündigt, die Sanierung von zwei Häusern mit der Bayernheim zu übernehmen. Wie findest du das?

Ich finde es erst mal gut, dass endlich finanzielle Unterstützung kommt und wir von der Politik wahrgenommen werden. Die Termine scheinen mir allerdings unrealistisch – in vier Jahren soll nach der neuen Ankündigung das orange Haus fertig sein. Beim kleineren blauen Haus hat alleine die Ausführung mehr als vier Jahre gedauert. Auch die Häuser, die zurzeit bewohnt, aber unrenoviert sind, sollte man nicht noch zehn Jahre so stehen lassen. Ein Haus mit Schimmel ist schwieriger zu renovieren als eines, in dem noch kein Schimmel ist. Da besteht ein riesiger Bedarf an weiteren finanziellen Mitteln für Sanierungen. Wir wünschen uns, dass unser Anliegen auch nach dem Wahlkampf nicht wieder in der Versenkung verschwindet.


Anabel Kauer ist 22 Jahre alt. Sie hat 2018, mit 17 Jahren, Abitur gemacht und begonnen, Bauingenieurwesen an der TU München zu studieren. Sie ist derzeit im dritten Master-Semester und arbeitet nebenher als Werkstudentin. Dadurch, dass sie sich ehrenamtlich innerhalb der Studentenstadt Freimann engagiert hat, konnte sie ihre Wohnzeit über die üblichen drei Jahre verlängern und darf noch eineinhalb Jahre bleiben.

Text: Tina Angerer
Fotos: Alexandra Beier

 

 
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