Die nächste Boazn ist immer die beste Boazn

Das schräge Kartenspiel Boazn-Quartett gibt‘s wieder in einer Neuauflage, weil die Stüberl schließen. Der Macher über Rüscherl, Bierpreise und einen »Cocktail« mit Haselnusslikör.

Das »Johannis Café« ist eine starke Karte im Münchner Boazn-Quartett: Seit 1924 gibt’s die Haidhauser Kneipe, sie sticht damit jede andere der insgesamt 32 Boazn in Martin Emmerlings Quartett. Auch bei den Öffnungszeiten ist das »Johannis Café« mit 17 Stunden weit vorne dabei, nur »Dagmar« in Sendling hat mit 18 Stunden länger geöffnet. Andere Kategorien sind Tresenplätze, der Preis für das Helle oder der Frauenanteil. Für seine Recherche hat der Schauspieler und Kabarettist Martin Emmerling (43, siehe links) in München kleine Eckkneipen besucht, fotografiert und die Fakten für ein schräges Spiel zusammengetragen.

Herr Emmerling, Ihr Quartett heißt »Münchens letzte Boazn«. Sind viele Kneipen den Stüberltod gestorben, seit Sie das Quartett 2021 zuletzt überarbeitet haben?
Ja, leider. Es sind zehn neue Boazn drin, was heißt, dass es zehn der letzten Auflage nicht mehr gibt. 

»Tina« in Sendling ist in der Neuauflage noch drin, die hat aber Ende 2023 zugesperrt.
Ich war noch im Oktober bei Tina, um die Bier- und Rüscherlpreise für das Quartett abzugleichen – jetzt ist Tina in Rente gegangen. Ich habe allerdings gehört, dass jemand Neues das Stüberl weiterführen will und radl die Tage mal auf ein Bier vorbei.

Warum schließen so viele?
Die Gründe sind mannigfaltig: Corona war sicher ein Grund, wobei man sagen muss, dass die kleinen Boazn nicht so viele Quadratmeter und deshalb auch nicht so hohe Pacht haben. Weil die Wirte und Wirtinnen oft wenige Mitarbeitende beschäftigen und selbst hinter dem Tresen stehen, sind sie mit den Coronahilfen in vielen Fällen gut klargekommen. Es gibt aber weiterhin die Entwicklung, dass die Pachtpreise wie die Mietpreise so angestiegen sind, dass sich entweder die Wirte die Pacht nicht mehr leisten können. Oder die Kundschaft hält sich nicht im Viertel und wird verdrängt.

Die Gentrifizierung killt die Boazn?
Ja, wobei ich bei den Jungen einen Wandel merke – die wissen um die Probleme der Gentrifizierung und leben bewusst in ihrem Kiez. Es gibt einige Boazn, in die junge Leute gerne gehen, weil es keinerlei Chichi gibt und es nicht so teuer ist. Oder weil sie da Darts spielen können. Wo gibt’s das günstigste Bier? Der »Bierschuppen« im Dreimühlenviertel hat unglaublicherweise einen Bierpreis unter 3 Euro, da kostet das Helle 2,90 Euro. Darts spielen kann man da nicht, und es gibt nur sechs Tresenplätze bei Wirtin Irmi, die den kleinen Laden seit 1983 führt.

Es gibt ohnehin erstaunlich viele Wirtinnen in den Münchner Boazn.
Das Stüberl ist keine typische Männer- oder Frauendomäne, was in der Gastro untypisch ist. Die Frauen hinter dem Tresen können energisch sein und haben ihren Laden im Griff.

In welcher Kneipe trifft man Sie?
Die nächste Boazn ist immer die beste Boazn. Ich habe 2008/09 im »Balan« in Haidhausen gearbeitet. Dann habe ich Hausverbot bekommen, weil ich meine Chefin Dödel-Doro genannt habe. Mittlerweile macht ein Typ aus Dorfen das »Balan«, und ich darf dort wieder mein Bier trinken. Im »Johannis Café« habe ich einen Teil meiner Jugend verbracht – eine Oase im Viertel. Jetzt bin ich über 40 und Vater, da lasse ich es ruhiger angehen.

Sie hatten also schon als Jugendlicher eine Affinität zu Stüberln?
Wenn ich als Teenie mit dem Radl an Boazn vorbeigefahren bin, wollte ich immer wissen, was sich hinter den vergilbten Vorhängen verbirgt. Ich habe mir vorgestellt, dass da raue Kerle sitzen und es primitiv zugeht. Dann habe ich das als Erwachsener erforscht und festgestellt: Das ist nicht unbedingt so. Das Schöne ist, dass in der Boazn jeder willkommen ist, der Busfahrer neben dem Unternehmensberater steht, der die Boazn als Rückzugsraum sieht, weil er keinen Bock hat, mit den Kollegen schon wieder Cocktails schlürfen zu gehen.

Stichwort Cocktails: Sollten die Boazn da mit der Zeit gehen, um sich zu retten?
Eine Wirtin hat mir mal einen »Longdrink« mit Haselnusslikör und einem billigen Energydrink gemischt. Ich hab’s getrunken und ganz ehrlich zu ihr gesagt: »Das schmeckt nicht. Das klumpt sogar.« Und sie hat nur geantwortet: »Den anderen schmeckt’s.«


Erhältlich ist das Spiel für 10,90 Euro unter anderem in Stadtteilbuchhandlungen, Boazn oder online über: boazn-quartett.de


Text: Jasmin Menrad

Fotos: Annette Sandner, privat

 

 
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