Die neue Gemütlichkeit

Angela Ascher trinkt lieber heiße Schokolade daheim, als das Haus zu verlassen. Am Alter liegt es nicht, glaubt unsere Kolumnistin

Samstagabend bin ich mit meinen Freundinnen zu einem Konzert verabredet – bayerischer Hip-Hop, Yo, Yo! Seit Monaten freuen wir uns drauf, und nun stehe ich schlecht gelaunt vor meinem Schrank und erkenne mich selbst nicht wieder, dass ich mir so viele Gedanken um meine Kleidung mache. Lustlos schlurfe ich in die Küche und mache mir eine heiße Schokolade. Als ich sehe, wie viel Milch und Sahne im Kühlschrank sind, entschließe ich mich, eine Crème brûlée zu zaubern. Als mir die Vanille in die Nase zieht und ich einen Schluck heiße Schokolade nehme, sehe ich den Spruch auf meiner Tasse: „Dahoam is‘ einfach am schönsten!“ Jetzt weiß ich, was mit mir los ist: Ich will nicht raus! Ist es das Alter? Aber meinen Freundinnen absagen, indem ich eine Krankheit vortäusche oder mein Kind vorschiebe – schwierig. 

Ich beschließe, dass der Grund für meine neue Gemütlichkeit nicht das Alter ist, sondern das Wetter. Und ich muss mich ja geradezu in meiner Wohnung wohlfühlen, immerhin frisst die Miete einen großen Batzen meines Monatsgehalts! Ist das nicht total in? Nennt man das nicht „Hygge“? Dieses dänische Trendwort, das so viel bedeutet, wie dass man sich sein Heim gemütlich und nett macht. Ich hole die alte Lichterkette und drapiere sie im Wohnzimmer, stelle „Winterwald“-Duftkerzen auf und finde eine kuschelige Winterdecke, die ich im Ausverkauf erstanden hatte. Als das Radio Robbie Williams „Angels“ spielt, tanze ich durch meine Wohnung! Ach, ist das gemütlich!

Ich hole mir die Crème brûlée aus dem Ofen, drehe die Heizung auf und mache es mir auf der Couch bequem. Mein Ziel: Fernglotzen, bis ich einschlafe. Plötzlich klingelt das Telefon. Oh weh! Ich habe unser Konzert-Date verdrängt. Schließlich hebe ich ab und höre Steffi jammern: „Es tut mir so leid, die Toni hat morgen Mathe, und sie hat solche Prüfungsangst.“ Und als ich drüber nachdenke, ob das eine Ausrede ist, klingelt das Telefon erneut. Jetzt ist es Karina, die mich mit einem gewaltigen Hustenanfall begrüßt, den ich freundlich unterbreche: „Mach dir keine Sorgen, ich fühl mich auch nicht so, und die Steffi kann auch nicht.“ – „Ach, ist die krank?“, fragt Karina. „Ja“, sag ich, „wir haben alle die gleiche Krankheit: Hygge.“ Und als ich mich wohlig unter meiner Decke einkuschele, denke ich: Es ist so schön zu Hause! Ein Hoch auf die neue Gemütlichkeit!


eine Frau streift sich durchs Haar und trägt ein grünes Oberteil

BR-Zuschauer*innen kennen Schauspielerin Angela Ascher vom Derblecken auf dem Nockherberg und aus der Serie „Fraueng’schichten“. Im Moment tourt sie mit ihrem Soloprogramm. Weitere Termine und Infos gibt es auf www.angela-ascher.de

 

 

 

Foto: Ela Angerer
Illustration: Daria Rychkova/kombinatrotweiss

 
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