Wovon sollen wir träumen?

München ist eine großartige Stadt. Aber auch eine der härtesten, was die Mieten betrifft. Wir haben Münchens Mieterinnen und Mieter befragen lassen, was das mit ihnen macht: Wie gut sie sich geschützt fühlen, wovor sie sich fürchten und wie es ihnen finanzell geht.

Jede*r fünfte Münchner Mieter*in (19 Prozent) muss mittlerweile mehr als 45 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Miete ausgeben. Das ergibt eine repräsentative Umfrage, welche die RIM Marktforschung GmbH im Auftrag unseres Vereins durchgeführt hat. 40 Prozent der von Mitte September bis Mitte Oktober 2020 befragten Mieterinnen und Mieter geben an, mehr als 35 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Miete verwenden zu müssen.

Maximal 30 Prozent des Nettoeinkommens für die Miete: „Das ist in München leider unrealistisch“

„Auch 35 Prozent sind zu hoch. Eigentlich gilt die Faustregel, dass Mieter*innen nicht mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben sollten, da sie sonst in finanzielle Schieflage geraten können. Das ist in München aber leider unrealistisch“, sagt Beatrix Zurek, die Vorsitzende unseres Vereins. Im Umland (Landkreise München, Freising, Erding, Ebersberg, Starnberg, Fürstenfeldbruck, Dachau) liegen die Zahlen etwas niedriger: Hier gehen aber auch bei 31 Prozent der befragten Mieterinnen und Mieter mehr als 35 Prozent des Einkommens für die Miete drauf.

Der Mieterverein München hat die Umfrage in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie es Münchens Mietern und Mieterinnen aktuell, mitten in der Corona-Krise, geht: Wovon träumen sie, womit haben sie zu kämpfen, was fürchten sie? Herausgekommen ist ein Stimmungsbild, das zeigt: Auch wenn die Situation für viele Menschen im teuren München schwierig ist, so ist vielen auch bewusst: Gemeinsam haben die Mieter*innen eine gewichtige Stimme. Denn München ist eine Mieter*innen-Stadt, wie sich in der Umfrage wieder bestätigt hat. Die deutliche Mehrheit der befragten Personen ab 18 Jahren (65 Prozent) aus München gibt in der Umfrage an, zur Miete zu wohnen. Ein Drittel (31 Prozent) lebt im Eigentum (4 Prozent ohne Angabe). Im Umland sieht das Verhältnis anders aus: Hier wohnen 36 Prozent der Befragten zur Miete, mit 55 Prozent sind Eigentümer*innen in der Mehrheit (9 Prozent o. A.).

Von den befragten Mietern und Mieterinnen aus der Stadt sagt jede*r Dritte (31 Prozent), dass er oder sie sich durch die bestehenden Gesetze vor Problemen in Bezug auf das Mietverhältnis nicht ausreichend geschützt fühlt. Ausgehend von den rund 800 000 Münchner Mietern und Mieterinnen im Erwachsenenalter wären das 250 000 Menschen, die sich einen besseren Schutz wünschen. Die Gesetze in Sachen Mietrecht werden überwiegend auf Bundesebene beschlossen.

Für viele Personen im Rentenalter ist die Stadt kaum noch bezahlbar

Die größten Unsicherheiten verspüren in der Umfrage Menschen im Alter von 50 bis 65 Jahren. „Viele Frauen und Männer dieser Altersgruppe schauen schon auf das Rentenalter. Wenn die Mieten so steigen wie bisher, können sich viele das Leben in München nicht mehr leisten. Wir bekommen immer wieder mit, dass Mieter aus dieser Altersgruppe überlegen, München zu verlassen“, so Zurek. „Abhilfe schaffen könnte ein bayernweiter Mietenstopp, gemeinsam mit einem verstärkten Neubau und einer Bodenrechtsreform auf Bundesebene.“

Die positive Nachricht: Immerhin gut jede*r zweite Münchner Mieter*in (52 Prozent) fühlt sich durch die bestehenden Gesetze derzeit ausreichend geschützt. Es wurde einiges erreicht in den vergangenen Jahrzehnten – oftmals auf Druck des Mietervereins und Mieterbundes hin. So existieren in München nun 28 Erhaltungssatzungsgebiete, und bundesweit gibt es seit Anfang 2019 eine neue Regelung, die Mieterhöhungen nach Modernisierungen auf maximal drei (bei sehr niedrigen Ausgangsmieten zwei) Euro pro Quadratmeter begrenzt. Bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung darf die Miete also maximal um 180 Euro pro Monat erhöht werden. Eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Miete wie früher ist nicht mehr möglich.

Große Furcht vor Eigenbedarfskündigungen

Gut ist aber längst nicht alles: Derzeit, in der Corona-Krise, auf Wohnungssuche in München gehen zu müssen, ist für viele Menschen eine schlimme Vorstellung. Jede*r sechste Mieter*in in der Region hatte im Befragungszeitraum von Ende September bis Ende Oktober 2020 Angst vor einer Eigenbedarfskündigung. So gaben 17 Prozent der Befragten an, es treffe sehr zu oder zu, dass sie sich vor einer Eigenbedarfskündigung immer wieder fürchteten. Frauen sagten dabei (20 Prozent) häufiger, Angst vor einer Eigenbedarfskündigung zu haben als Männer (14 Prozent).

„Die Menschen sehen, was um sie herum passiert. Eigenbedarfskündigungen nehmen seit einigen Jahren stark zu. Auch wir im Mieterverein München beraten immer häufiger zu dem Thema“, sagt Beatrix Zurek. 880 Fälle von Eigenbedarfskündigungen zählte unser Verein 2018 unter seinen Mitgliedern – doppelt so viele wie noch 2017. Im vergangenen Jahr waren es rund 1000 Fälle. „Und dies sind nur die Fälle, die Mitglieder unseres Vereins betreffen. Die eigentliche Zahl dürfte also deutlich höher liegen“, so Zurek.

Eigenbedarfskündigungen sind eine relativ einfache Möglichkeit, Mieterinnen und Mieter loszubekommen. So haben Gerichte entschieden, dass Vermieter*innen ihrem Mieter oder ihrer Mieterin auch für Haushaltsangestellte oder gelegentliche Opernbesuche wegen Eigenbedarfs kündigen können. Beatrix Zurek: „Die gekündigten Mieterinnen und Mieter finden oftmals auf dem extrem angespannten Wohnungsmarkt in München keine neue Wohnung mehr. Gerade Rentner*innen, Alleinerziehende und Familien sind häufig betroffen. Wir fordern, dass die Möglichkeiten für Eigenbedarfskündigungen deutlich eingeschränkt werden: Etwa soll nur noch für Verwandte in gerader Linie wegen Eigenbedarfs gekündigt werden dürfen.“

„Gemeinsam können wir viele Verbesserungen erreichen“

In Sachen Mieter*innenschutz bleibt also noch vieles zu erstreiten. „Wovon sollen wir träumen? Wo sind wir zu Haus?“ endet der 2011 erschienene Hit der Deutschpop-Band Frida Gold. Mietervereins-Vorsitzende Beatrix Zurek blickt optimistisch in die Zukunft: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass aus Träumen durchaus Realität werden kann. Gemeinsam können wir viele Verbesserungen für Münchens und Bayerns Mieterinnen und Mieter erreichen.“

Sagen Sie Ihre Meinung

Seit 2015 gibt es eine mieter*innenfreundlichere Regelung zu Maklerkosten bei der Wohnungssuche. Das »Bestellerprinzip« besagt, dass Mieter*innen den Makler oder die Maklerin nur bezahlen müssen, wenn sie ihn oder sie ausdrücklich mit der Suche nach einer Wohnung beauftragt haben. Die Wohnung muss exklusiv für den Mieter gefunden worden und ein Mietvertrag zustande gekommen sein. Das Bundesjustizministerium will nun bis zum Jahresende per Online-Umfrage herausfinden, ob und wie das Bestellerprinzip funktioniert. Hier können Sie mitmachen.

Illustration: Jan Steins

Text: Ramona Weise-Tejkl

 
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