„Team Wallraff“ recherchiert in München

Ein Undercover-Reporter arbeitet sechs Wochen lang bei dem Immobilienunternehmen „Haus von Beck“. Mit versteckter Kamera dokumentiert er, wie dort mit Mietern umgegangen wird.

Der neue Mitarbeiter wurde schnell eingewiesen. „Da haben Sie freie Hand bei uns. Der Beck will lieber das Gesindel raushaben“, sagte der Mitarbeiter Rainer Becks, des Inhabers der Immobilienfirma „Haus von Beck“, zum neuen Kollegen. Ein Ton, der erstaunt und erschreckt, aber bei diesem Münchner Vermieter offenbar alltäglich ist. Der „neue Kollege“ war allerdings ein Undercover-Reporter. Er arbeitet für das RTL-Format „Team Wallraff“, in dem ein Reporterteam um die Investigativ-Ikone Günter Wallraff Missstände aufspürt.

Der junge Reporter bewarb sich im Frühjahr 2018 bei Rainer Beck, dessen Gebaren immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Beck ist millionenschwerer Immobilienmogul in München, er kauft seit Jahren Häuser in Toplagen, er saniert und entmietet. Beck gehören rund 500 Wohneinheiten in München, rund 3.000 Mieter leben in seinen Wohnungen. Seit Jahrzehnten hat auch der Mieterverein mit ihm zu tun, denn die Grenzen der Legalität testen Beck und seine Mitarbeiter oft aus.

Beck selbst hält sich nach außen bedeckt. Lediglich als er 2011 beim TSV 1860 München und später im Münchner und Landshuter Eishockey mitmischen wollte, trat er an die Öffentlichkeit. Und vor einigen Jahren berichtete der Bayerische Rundfunk für die Dokumentation „Ich kauf mir eine Insel“ über Becks Ehefrau Monika. In dem Beitrag zeigt Monika Beck ihren Reichtum: Das Paar besitzt nämlich auch eine vier Quadratkilometer große Insel vor Panama.

Eines der raren Fotos von Rainer Beck: Der Unternehmer scheut die Öffentlichkeit
Eines der raren Fotos von Rainer Beck: Der Unternehmer scheut die Öffentlichkeit

Wie Beck mit Mietern umgeht, das wollte der Undercover-Reporter herausfinden. Er hatte sich vorher in einem Crashkurs zum Immobilienmakler ausbilden lassen, bewarb sich blind bei dem Münchner Unternehmen und durfte sofort als Hausverwalter anfangen. Was er mit versteckter Kamera in Ton und Bild bei Beck eingefangen hat, ist mit schockierend noch milde umschrieben. Seien es Schuhe im Hausflur, ein Fahrrad in der Wohnung oder eine Zigarettenkippe im Hof – das führt zur Abmahnung. Dazu gehen die Mitarbeiter durch die Treppenhäuser, um zu „inspizieren“. So sollte es auch der Reporter tun.

Bereits während des Vorstellungsgesprächs bei „Haus von Beck“ wurde Tacheles geredet. Fachkenntnisse wurden bei dem Neuling nicht abgefragt, denn „das kann man alles lernen, aber es ist besser, wenn man es im Kampfeinsatz lernt“, wird ihm erzählt. Und von seinen Gesprächspartnern wird klargemacht, was wichtig ist: „Durchsetzungsvermögen bei resistenten Mietern.“ Gemeint waren wohl „renitente Mieter“, aber resistent passt wohl auch gut. Denn resistent, also widerstandsfähig, muss man sein, wenn man das erlebt, was „Haus von Beck“ seinen Mietern laut der am 1. Oktober 2018 ausgestrahlten „Team Wallraff“- Sendung zumutet.

Der Reporter muss sich von Rainer Beck auch gleich extrem persönliche Fragen gefallen lassen – eine Technik der Einschüchterung, wie man später erfährt. So spricht Beck auch mit Miet-Interessenten. Der Chef rät, Bewerber für eine Wohnung gleich psychisch unter Druck zu setzen. Mit Fragen wie: „Sind Sie Einzelkind?“, „Wie viele Drogen nehmen Sie?“ oder „Sind Sie Sexualstraftäter?“ Ein junges Paar erhält erst dann die Erlaubnis, einzuziehen, als die Frau preisgibt, dass sie keine Kinder bekommen kann.

„Da sind Schwarze drin, und das sind alles Wilde“, so der Vorgesetzte über eine Asylbewerberunterkunft

Schon am ersten Tag erlebt der Reporter, was es bedeutet, bei „Haus von Beck“ zu arbeiten. Sein Vorgesetzter geht mit ihm E-Mails durch, und er lernt sogleich, wer sogenannte „Stinker-Mieter“ sind. „Ich traue meinen Ohren kaum, so respektlos ist der Ton“, sagt der Reporter später. Dabei war das erst der Anfang. Über ein Haus, in dem Asylbewerber untergebracht sind, sagt der Vorgesetzte: „Da sind Schwarze drin, und das sind alles Wilde.“ Und über ein anderes Haus: „Wenn ich Hausmeister wäre, ich hätte schon den einen oder anderen über den Balkon geschmissen.“

In diesem Stil geht es weiter: Später an seinem allerersten Tag als Mitarbeiter besucht der Undercover-Reporter einen Mieter und erlebt, wie der vom Vorgesetzten eingeschüchtert wird. In ruppigem Ton, mit Drohungen und Zurechtweisungen. Ob der Mieter im Recht ist, spielt dabei kaum eine Rolle. Warum, das erklärt der Mitarbeiter von „Haus von Beck“: „Im Endeffekt müssen sie froh sein, dass sie eine Wohnung haben.“ Auch einige von Becks Mietern kommen in der Sendung zu Wort. Einer berichtet, dass er sich bei Gesprächen mit Becks Mitarbeiter regelrecht bedroht fühlte. „Er wusste ganz genau, er hat die Macht, er hat die Wohnung, er hat das Geld und die Anwälte.“

Bei allen wird deutlich, wie groß die Verzweiflung ist. Schließlich hat man in München immer das Nachsehen, denn einfach ausziehen und etwas Neues suchen, am besten zu einem vernünftigen Preis, das geht ja leider nicht. Deshalb können sich Vermieter wie Beck einiges erlauben. Noch einmal Becks Mitarbeiter mit Zitaten aus der Sendung: „Diese Bitch, die kommt hier hin, jammert uns was vor.“ Oder: „Die Rotzlöffel, wenn die nicht funktionieren, dann schmeißen wir die raus.“ Der verdeckte Reporter erlebt sogar, wie Beck-Mitarbeiter im Hausmüll wühlen, um Hinweise zu finden, wer seinen Müll nicht ordnungsgemäß entsorgt. Ein anderer Mieter bekommt eine Abmahnung via öffentlicher WhatsApp-Gruppe.

„Grundsätzlich versuche ich natürlich, Altmieter immer irgendwo rauszuhebeln“

An einem der nächsten Tage erfährt der Reporter, welche Mieter nicht erwünscht sind. „Ich brauche keine alleinerziehenden Mütter mit 17 Kindern.“ Oder: „Behinderte, Rentner, die vom Amt bezahlt werden, krieg ich nie mehr raus.“ Schließlich wird er noch in ein besonderes Handwerk bei „Haus von Beck“ eingeführt, nämlich, wie man Mieter los wird: „Grundsätzlich versuche ich natürlich, Altmieter immer irgendwo rauszuhebeln“, sagt der leitende Beck-Mitarbeiter. Wie er vorgeht, verrät er auch: „Dem einen Geld bieten, dem anderen Angst machen.“ Und: „Kommt immer auf die seelische Verfassung der Leute an.“ Alles für ein Ziel, auch das erfährt man im Beitrag: Beck will monatlich eine Million Euro an Mieteinnahmen erzielen.

Sechs Wochen hat der Reporter Material bei Beck gesammelt, dann hat er gekündigt. Eine Stellungnahme von Beck bekam RTL trotz Nachfrage nicht – auch nach Ausstrahlung der Sendung reagierte er nicht auf Medienanfragen. Die Facebook-Seite von „Haus von Beck“ wurde nach der Ausstrahlung allerdings gelöscht, wohl wegen des Shitstorms, der folgte. Beck selbst ist abgetaucht. Die Wintermonate, heißt es, verbringt er ohnehin lieber auf der Ranch auf seiner eigenen Insel.

Dieser Beitrag erschien im Mietermagazin, Ausgabe 4 – 2018, des Mietervereins München e.V. auf Seite 4. 

 
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