Das Dorf mit dem Schiff

Das Restaurant »Roecklplatz« im Dreimühlenviertel ist äußerst beliebt. Dass hier Jugendliche mit schwierigen Biografien ausgebildet werden, merkt man nicht. Und das ist gut so.

Gastro am Roecklplatz

Das Restaurant „Roecklplatz“ ist eine Institution im Dreimühlenviertel. Sandra Forster (44) betreibt es seit zehn Jahren, und sie gibt Jugendlichen mit sozial schwachem Hintergrund hier die Chance, eine Ausbildung in der Gastronomie zu machen. „Viele merken nicht mal, dass wir sozialpädagogisch engagiert sind“, sagt die Münchnerin. „Und das ist ein Lob. Denn unsere Kellner unterscheiden sich nicht von anderen.“

Während ihr Restaurant direkt am Roecklplatz eine Konstante zwischen Isar, Schlachthof und Großmarkthalle ist, hat sich das Viertel vor allem in den vergangenen vier Jahren stark gewandelt: Der riesige Neubaukomplex auf dem ehemaligen Rodenstock-Gelände, der kommende Abriss des Schlachthofs und der Aufbau des Event-Schiffs „MS Utting“ auf einer stillgelegten Bahntrasse sorgen für neue Impulse, fast ein bisschen für Unruhe in dem Eck, das selbst viele Münchner nicht kennen.

Wer ins Dreimühlenviertel kommt, entdeckt also eine kleine Welt für sich: Hippe Restaurants wie das Mini-Bistro „Quattro Tavoli“ oder das kreolische „Makassar“, Weinhandlungen und Plätze, auf denen Kinder toben. „Das Viertel hat immer noch einen dörflichen Charakter, denn es wurde im Krieg wenig zerstört“, sagt Sandra Forster. Abends spaziert sie gelegentlich noch bis zum Schlachthof. „Heute sind vor allem die Fassaden an Ehrengut- und Dreimühlenstraße noch schön erhalten, während am Schlachthof alles industriell und leicht heruntergekommen ist – diesen Kontrast mag ich“, sagt sie.

Doch es rumpelt gewaltig in der Gegend: Wohnungen werden renoviert, es entstehen Eigentumswohnungen. Und wo früher skurrile Geschäfte für Gastrozubehör waren, sind heute moderne Läden. „Klar, wir merken die Gentrifizierung – wie in jedem Viertel der Stadt. In München gibt es einfach keinen Platz mehr für neuen Wohnraum. Wir haben hier inzwischen mehr wohlhabende Leute durch die Eigentumswohnungen am Rodenstock-Gelände. Aber ich mag Veränderung“, erzählt Sandra Forster, die selbst auf der Ostseite der Isar lebt und meist mit dem Rad zum „Roecklplatz“ fährt. „Das Dreimühlenviertel ist ja wie abgeschottet. Es gibt keine U-Bahn, keine Tram, nur eine Buslinie. Spontane Laufkundschaft haben wir nicht. Eine Fußgängerbrücke nach Giesing wäre für die Vernetzung des Viertels sinnvoll“, meint sie. Der Großteil der Gäste im Roeckl, das eine moderne Cross-over-Küche mit vielen vegetarischen und veganen Gerichten bietet, besteht deshalb aus Anwohnern.

Obwohl sich seit dem Sommer langsam etwas breitmacht, das Forster liebevoll „Utting-Tourismus“ nennt. Der ausrangierte Dampfer aus dem Fünfseenland thront seit Juli auf den stillgelegten Bahngleisen an der Lagerhausstraße: Food Market, Konzerte, Biergarten, Bars und jetzt im Winter ein Christkindlmarkt beleben das Areal, wo früher nur die Geheimtipp-Boazn „Zur Gruam“ in der Thalkirchner Straße war. Heute reihen sich die Fahrräder so dicht auf dem Gehweg aneinander, dass kaum ein Durchkommen ist.

Dieser Beitrag erschien im Mietermagazin, Ausgabe 4 – 2018, des Mietervereins München e.V. auf den Seiten 16 und 17.

 
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