Wodka & Wermut

Der »Salon Irkutsk« in der Maxvorstadt ist ein osteuropäisches Abendlokal mit Kleinkunst, Ausstellungen und einer klaren politischen Positionierung

Bei der Taxizentrale kennen sie das schon: Wenn ein Taxi in die Isabellastraße in den „Salon Irnuschelnuschel“ bestellt wird, dann ist der „Salon Irkutsk“ gemeint. Vor dem kleinen Abendbistro in der Maxvorstadt steht der Name nur in Kyrillisch – wer sich nicht mehr genau erinnert, wo er oder sie eigentlich ist, kann nicht schnell spicken. Seitdem der Salon vor elf Jahren eröffnet wurde, war Barchef Daniel Richter immer noch nicht in Irkutsk, der Stadt in Sibirien in der Nähe des Baikalsees. Bedingt durch den Konflikt mit Russland wird er so bald auch nicht hinkommen. Die Stadt war in ihrer Geschichte immer Anlaufstelle für Oppositionelle und Kreative, und in dieser Tradition sieht sich auch der „Salon Irkutsk“ – als Ort für Kreative, die Nachbarschaft und all jene, die Lust auf Drinks, Borschtsch und Pierogi, die verdammt guten osteuropäischen Teigtaschen, haben. „Wir könnten genauso gut Salon Odessa heißen, denn wir bedienen mit unserer Karte Osteuropa und haben auch einen polnischen Stammtisch“, sagt Daniel Richter. Für die Menschen in der Ukraine hat er diverse Hilfsaktionen ins Leben gerufen und schon vier Kleinbusse mit Kleidung, Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern in die Ukraine geschickt. Links unter der schicken „Wermut“-Leucht-reklame, die über der Tür zur Toilette hängt, wird Hochprozentiges zu Gunsten der Ukraine verkauft. Bisweilen kommen auch Geflüchtete, die hier ein Stück Heimat trotz des russischen Namens suchen, weil sie in München kein ukrainisches Restaurant und keine Bar finden. „Ich hatte aber auch erst gestern einen Anruf, da hat ein jüngerer Typ mich beschimpft“, sagt Richter. Es ging wohl um Russland oder die Ukraine – so genau hat Daniel Richter das nicht verstanden.
Richter macht sich darüber keinen Kopf, er hat schon andere Krisen überstanden: Während der Pandemie haben er und sein Team einen regen Fensterverkauf zur Isabellastraße hinaus betrieben, und mit einer mobilen Bar, die für kleinere Veranstaltungen gemietet werden kann, ist der Bartender gut ausgelastet. Vom  Personalmangel ist der „Salon Irkutsk“ nicht betroffen, weil immer mal wieder jemand aus der Nachbarschaft fragt, ob er nicht in dem kleinen Laden anfangen kann.

Auf der kleinen Speisekarte stehen osteuropäische Spezialitäten

Was den „Salon Irkutsk“ von der sibirischen Bahnhofskneipe, die er zum Vorbild hat, unterscheidet, ist das fehlende aggressive Trinken. Das ist hier nicht gerne gesehen. Auch wenn es eine beeindruckende Auswahl an Wodka gibt, wird dieser in kleinen Mengen genossen. Der Wermut, der so buchstäblich von der Reklame leuchtet, hat ohnehin meist um die 18 Prozent und wird gerne am Sonntagabend zu Kleinkunstperformances genippt. Denn zwischen 19 und 21 Uhr, wenn halb München beim „Tatort“ vorm Fernseher einschläft, werden hier gemeinsam mit Schauspielabsolvent*innen der Bayerischen Theaterakademie Songs von Brecht und Weill gesungen, oder ein Blues-Duo tritt auf. An den türkisfarbenen Wänden des Salons sind große und kleine Löcher von den wechselnden Bildern und Fotos, die hier ausgestellt werden – bisweilen auch für den guten Zweck und derzeit Hilfe für Menschen in der Ukraine.

Isabellastraße 4, So bis Do 17–1 Uhr, Fr & Sa 17–3 Uhr

Text: Jasmin Menrad
Fotos: Philipp Gülland

 
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