Eine riesige Aufgabe

Den entfesselten Wohnungsmarkt in den Griff bekommen: Wir haben Politiker*innen gefragt, wie sie das nach der Bundestagswahl schaffen wollen.

Bezahlbare Mieten sind die soziale Frage unserer Zeit – bei der Bundestagswahl am 26. September werden die Weichen gestellt, in welche Richtung sich unser Land entwickelt. Damit eröffnet Mietervereins-Vorsitzende Beatrix Zurek Anfang August die Podiumsdiskussion im Oberangertheater in München.

Eingeladen hat unser Verein Politiker*innen der im Bundestag vertretenen Parteien SPD, Grüne, Linke, CSU und FDP, die nach der Wahl voraussichtlich wieder Abgeordnete aus München in das Parlament schicken werden. Das Thema des Abends: Wie die Probleme auf dem extrem angespannten Wohnungsmarkt in den Griff bekommen?

Hier kristallisieren sich bei der Diskussion zwei Lager heraus: CSU und FDP wollen das Problem vor allem lösen durch mehr Bauen und Erleichterungen für diejenigen, die Wohnraum schaffen. SPD, Linke und Grüne fordern, Wohnen stärker dem Markt zu entziehen, das Bodenrecht zu reformieren und einen – je nach Partei unterschiedlich gestalteten – Mietenstopp durchzusetzen.

CSU: Mehr Angebot schaffen

Anja Burkhardt von der CSU ist der Meinung, dass mehr Angebot geschaffen werden müsse, um das Wohnproblem in den Griff zu bekommen. „Alleine die Vermieter dazu zu bringen, bezahlbare Mieten zu verlangen, ist nicht der Weg. Wenn das Angebot groß genug ist, erübrigt sich so was.“ Die Vorschriften fürs Bauen müssten vereinfacht werden, sagt die CSU-Bundestagskandidatin. Brandschutzanforderungen, barrierefreies Wohnen, energetisches Bauen: All das treibe Kosten nach oben, Investoren müssten entlastet werden.

FDP: Es fehlt an Digitalisierung

Auch FDP-München-Chef Michael Ruoff spricht sich für Bauen, Bauen, Bauen aus. „Wenn der Markt aus den Fugen gerät, weil die Nachfrage höher ist als das Angebot, dann muss das Angebot eben steigen“, sagt er. Das Angebot gehe in vielen Städten nicht nach oben, weil Planungsverfahren zu langsam seien, weil Baugenehmigungen zu lange brauchten und es an Digitalisierung fehle. Ruoffs Anregung: Auch mal darüber nachdenken, mehr in die Höhe zu bauen.

Die Linke: Großen Teil des Wohnungsbestands dem Markt entziehen

Die Bundestagsabgeordnete und -kandidatin Nicole Gohlke der Linken argumentiert dagegen: Nur mehr Angebot zu schaffen, werde das Problem auf dem Wohnungsmarkt nicht lösen. Die letzten 20 Jahre hätten gezeigt, dass gerade die Marktorientierung beim Wohnen Ursache und Kern des Problems sei. „Niedrige Mieten liegen nicht im Interesse von ökonomisch rational agierenden Marktakteuren“, sagt die Kreisvorsitzende der Münchner Linken. Diese wollten naturgemäß möglichst viel Miete einnehmen. „Und viele, die jetzt neu bauen, bauen gerne im Hochpreissegment. Weil das die höchste Gewinnmarge erwarten lässt“, sagt Gohlke. Ihre Forderung: Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und einen großen Teil des Wohnungsbestands dem Markt entziehen.

SPD: Thema Grund und Boden angehen

Auch Claudia Tausend, SPD-Bundestagsabgeordnete und -kandidatin, spricht sich für eine stärkere Regulierung des Markts beim Wohnen aus. Wichtig sei es, leistungslose Gewinne beim Boden abzuschöpfen. Die Preise für Bauland steigen immer weiter und machen das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum sehr schwierig. „Wir glauben nicht, dass der Markt alles richtet“, sagt die Vorsitzende der Münchner SPD. „Ganz einfach, weil Grund und Boden nicht vermehrbar sind. Ganz im Gegensatz zu den Gütern, die man in der Industrie herstellt.“

Auf Bundesebene müsse über Instrumente wie eine Bodenwertzuwachssteuer oder einen Planungswertausgleich gesprochen werden. Das bedeutet: Wenn der Wert eines Grundstücks steigt, etwa weil die Kommune Infrastruktur wie eine Verkehrsanbindung schafft, müsste darauf eine Abgabe geleistet werden. Solche Regelungen seien mit der Union beim zäh ausgehandelten Baulandmobilisierungsgesetz nicht machbar gewesen, sagt Tausend. Aber: „Ohne das Thema Grund und Boden anzugehen, werden wir keine bezahlbaren Wohnungen bekommen.“

Grüne: Eigentum verpflichtet

Grünen-Stadtrat Bernd Schreyer rechnet vor: Den größten Teil der Kosten bei der Entstehung von Wohnraum machen in München nicht die Baukosten aus, sondern die immer weiter steigenden Preise für den Boden: „Wir haben in unserem Grundgesetz den Satz stehen ,Eigentum verpflichtet‘. Gerade in Bezug auf Wohnen muss das im Vordergrund stehen. Wohnen ist wie Wasser oder Luft. Ohne Regulierung wird es bei diesem begrenzten Gut nicht gehen“, sagt er. Ein wichtiger Schritt sei die neue sozialgerechte Bodennutzung der Stadt München, die strengere Regeln für Investoren bei Neubaugebieten festlegt. Etwa sollen 80 statt bisher 40 Prozent der neuen Wohnungen künftig Mietwohnungen sein.

Mietervereins-Vorsitzende Beatrix Zurek eröffnete die Podiumsdiskussion

Baulandmobilisierung, Mietpreisbremse, Mietenstopp

Auch das Publikum kann bei der Podiumsdiskussion Fragen stellen. Ein Zuhörer will wissen, wie es um das schon angesprochene Baulandmobilisierungsgesetz in Bayern steht. Bei dem auf Bundesebene beschlossenen Gesetz scheine die CSU-geführte Landesregierung sehr zurückhaltend zu sein, eine Verordnung zu erlassen, damit es in wichtigen Fragen wie dem Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen für Kommunen wie München anwendbar sei. Woran liegt’s? Man müsse prüfen, dass alle Beteiligten bedacht werden, sagt CSU-Kandidatin Anja Burkhardt.

Ebenfalls gehapert bei der Umsetzung auf Landesebene hat es bei einem anderen bundesweiten Gesetz: der Mietpreisbremse. 2015 wurde sie eingeführt. Doch in Bayern gilt sie erst seit 2019, die Landesregierung hatte eine fehlerhafte Verordnung erlassen. Kritiker*innen bemängeln die vielen Schlupflöcher, die Bremse gilt auch nur für Wiedervermietungen. Der Mieterverein fragt nach. Nicole Gohlke (Die Linke) sagt: „Wir machen uns für alle Nachbesserungen stark. Zum Beispiel die Sanktionierung, die nicht auf individuellen Wegen passieren muss.“ Heißt: Auch der Staat könnte Verstöße gegen die Bremse ahnden. Derzeit müssen Mieter*innen Vermieter*innen bei einem Verstoß rügen.

Und ein bundesweiter Mietenstopp? Michael Ruoff (FDP): „Wenn wir wollen, dass unsere Innenstädte bald so aussehen wie Havanna, können wir das gerne versuchen. Das wird immer zur Folge haben, dass Renovierungen unterbleiben.“ Wenig Begeisterung für einen Mietenstopp zeigt auch Anja Burkhardt (CSU). Die SPD spricht sich für eine Art Mietenstopp aus: Mieten sollen nur noch im Rahmen der Inflationsrate steigen dürfen. Die Linken gehen weiter und fordern im Wahlprogramm auch Mietabsenkungen. Die Grünen wollen noch 2,5 Prozent Erhöhung im Jahr innerhalb des Mietspiegels erlauben, außerdem Mietobergrenzen einführen. Grünen-Stadtrat Bernd Schreyer sagt, ein solcher Mietenstopp sei richtig für eine Zeit lang. „Denn so dynamisch wie die Preise etwa in München gestiegen sind, ist es nur mehr purer Wahnsinn.“

Zukunft des Wohnens: Das steht in den Bundestagswahlprogrammen

SPD: Claudia Tausend

seit 2013 Mitglied des Bundestags – stellt sich aktuell wieder zur Wahl, Vorsitzende der Münchner SPD.

Im Wahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:
„In angespannten Wohnlagen werden wir (…) ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium einführen, das bedeutet: Mieten können für eine bestimmte Zeit nur im Rahmen der Inflationsrate erhöht werden. Mietwucher werden wir wirksam unterbinden. Wir werden außerdem die Mietpreisbremse entfristen und Schlupflöcher schließen.“ Außerdem: „Um die Spekulation mit Wohnraum einzudämmen, werden wir die Eigentümerstrukturen über ein zentrales Immobilienregister transparent machen.“

Die Grünen: Bernd Schreyer

ist Stadtrat und Gründungsmitglied der Münchner Grünen.

Im Wahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:
„Es wird ein bundeseinheitliches Gesamtkonzept benötigt, das in einem Bundesgesetz gewährleistet, dass Mietobergrenzen im Bestand ermöglicht werden und die Mietpreisbremse entfristet und deutlich nachgeschärft wird. (…) Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden.
Dazu wollen wir qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreiten und rechtssicher ausgestalten. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten 20 Jahre herangezogen werden.“

 

Die Linke: Nicole Gohlke

seit 2009 Mitglied des Bundestags – stellt sich aktuell wieder zur Wahl, Kreisvorsitzende der Münchner Linken.

Im Wahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:
„Wir wollen Mietendeckel im gesamten Bundesgebiet möglich machen. Unser Ziel: die Explosion der Mieten nicht nur bremsen, sondern beenden und rückgängig machen. Besonders hohe Mieten müssen abgesenkt werden.“ Außerdem: „Großen Wohnungskonzernen wie Vonovia und Deutsche Wohnen, die systematisch Mietwucher betreiben, wollen wir das Handwerk legen. Die Linke ist deshalb Teil der Kampagne ,Deutsche Wohnen & Co. enteignen‘.“

CSU: Anja Burkhardt

war 2016 bis 2020 Mitglied des Münchner Stadtrats und kandidiert nun für den Bundestag.

Im Wahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:
„Wir bekennen uns zum Eigentum. Eigentum ist die beste Vorsorge. Wir wollen mehr Menschen den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen. (…). Wir stehen für Eigentumsbildung statt Enteignung.“ Und: „Nicht jeder kann sofort an Eigentumsbildung denken, aber niemand soll in prekären Wohnverhältnissen leben. Mieten muss bezahlbar bleiben. Deshalb wollen wir die Abschreibungsmöglichkeiten zur Förderung des Wohnungsbaus fortschreiben und flexibilisieren.“

FDP: Michael Ruoff

ist seit dem Herbst 2020 der München-Chef der Liberalen.

Im Wahlprogramm steht zum Wohnen u.a.:
„Das Bauland und somit auch der Wohnraum in unseren Städten wird knapper, die Mieten steigen immer weiter. Dagegen hilft vor allem: mehr Flächen mobilisieren und mehr bauen. Enteignungen, Mietpreisbremse oder Mietendeckel sorgen letztlich für weniger Wohnraum.“ Und: „Wir Freie Demokraten wollen die Mietpreisbremse abschaffen und einen bundesweiten Mietendeckel verhindern. Die Möglichkeiten zur Abschreibung für Wohnungsbauinvestitionen wollen wir verbessern.“


Fotos: Philipp Gülland

Illustration: Jannik Stegen

 
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