»Kleine Räume nimmt man mit allen Sinnen wahr«
Das Leben in der Stadt wird immer teurer – und der Wohnraum knapp. Architektin Felicia Specht kennt sich aus mit Wohnen auf wenig Raum.
Auf gerade einmal 20 Quadratmetern wohnen viele Menschen in sogenannten Megastädten wie Tokio. In München sind es im Schnitt immerhin noch 39 Quadratmeter pro Kopf. Doch auch in deutschen Großstädten wird es immer enger. Die Münchner Architektin Felicia Specht hat jüngst im Glockenbachviertel eine Wohnung mit 25 Quadratmetern Wohnraum umgestaltet und weiß, wie man wenig Platz am besten nutzt.
Frau Specht, Wohnen auf wenig Raum – hat das auch Vorteile?
Auf jeden Fall. Vor allem gesamtgesellschaftlich betrachtet. Es verbraucht weniger Ressourcen, versiegelt weniger Flächen. Wenn man es positiv sehen will: Es kann auch die Seele beruhigen, wenn man einen überschaubaren Wohnraum hat. Ein großes Haus zum Beispiel ist auch immer mit viel Arbeit verbunden. Ich kenne eine Familie, die von einer großen in eine kleinere Wohnung gezogen ist. Die haben gesagt: Das bringt uns als Familie wieder näher zusammen. Etwa wenn das Kind dann am Küchentisch seine Hausaufgaben macht.
Und die Nachteile?
Je mehr in einem Raum passiert, desto lauter ist es natürlich. Und geruchsintensiver. Man kann sagen, man nimmt kleine Räume mit allen Sinnen wahr.
Spieglein, Spieglein an der Wand:
Große Modelle vergrößern den Raum optisch
Was wird bei kleinen Wohnungen oft falsch gemacht?
Oft wird auf wenig Wohnraum versucht, trotzdem möglichst viele Zimmer reinzuquetschen. Das fühlt sich dann an wie in einem Hasenstall. Schöner ist es, den Wohnraum – wenn möglich – offener zu gestalten und zum Beispiel Faltwände einzubauen, die sich bei Bedarf zuziehen lassen.
Welche Farben und Materialien bieten sich in kleinen Räumen an?
Es muss nicht immer alles weiß sein. Helle Farben knallen manchmal sehr, wo sich dunkle Farben zurücknehmen. Für offene Küchen vielleicht mal keine weißen Fronten wählen, sondern auf eine wohnliche Farbe setzen, wie dunkelgrün in Kombination mit Holz. Dann sieht die Küche mehr nach Möbel als nach Küche aus und fügt sich eleganter in den Raum ein. Ich rate auch, auf Oberschränke zu verzichten, die wirken oft erdrückend.
Aber man braucht ja auch Stauraum …
Natürlich, Stauraum ist wichtig. Dafür sollte man dann jede Nische nutzen, die sich anbietet. Regalbretter in die Ecke neben der Heizung, Einbauschränke unter der Treppe. Oder auch auf Möbel mit Stauraum setzen, etwa ein Bett mit Schubladen. Praktisch sind auch multifunktionale Möbel wie eine ausziehbare Couch. So habe ich Platz für Gäste. In kleinen Räumen muss ich zudem „nach oben denken“ und auch Flächen unter der Decke nutzen.
Was ist noch wichtig in kleinen Räumen?
Licht ist ein entscheidender Wohlfühlfaktor. Im Wohnbereich immer warmes Licht verwenden. Außerdem: Ordnung halten und kleine Zimmer nicht zu voll stellen. Immer ein wenig Raum fürs Auge lassen, auf dem es ruhen kann. Und auf hochwertige Details setzen wie schöne Möbelgriffe und Türklinken.
Felicia Specht, geborene Vocke, gründete 2019 ihr eigenes Architekturbüro FV2. Den Namen wählte sie in Anlehnung an ihren Großvater Fritz Vocke, der ebenfalls Architekt in München war.
Text: Janina Ventker
Fotos: VH2 Architektur GmbH, Jotex (2/3)