Schock zum Jahresstart

Viele Münchner haben kurz vor Neujahr noch eine Modernisierung mit anschließender Mieterhöhung angekündigt bekommen. So können sie noch kräftig zur Kasse gebeten werden. Denn die neue, mieterfreundlichere Rechtslage gilt erst seit dem 1. Januar 2019.

Fall 1

Der Hammer ist kurz vor Neujahr per Bote bei Veronika (61) und Gerold K. (64) in der Brahmsstraße angekommen. In Form einer Modernisierungsankündigung. Fast verdoppeln soll sich  die Kaltmiete für ihre Wohnung in Bogenhausen: um 526,84 Euro. Zukünftig betrüge ihre Miete dann 1107,21 Euro kalt, mit Heiz- und Betriebskosten 1.327,21 Euro.

„Wir rechnen auch nach der Modernisierung mit weiteren Mieterhöhungen.“

„Wir hätten uns noch vor zehn Jahren nicht erträumen können, dass wir uns die Miete in München eines Tages nicht mehr leisten können“, sagen die zwei, die seit mehr als 40 Jahren in der 87-Quadratmeter-Wohnung leben. „Wir fühlen uns ausgeliefert. Denn: Ein Ende ist unserer Meinung nach nicht in Sicht. Wir rechnen auch nach der Modernisierung mit weiteren Mieterhöhungen.“ Die Ex-Telekom-Angestellte ist schon in Rente. Ihr Mann, der im öffentlichen Dienst arbeitet, geht demnächst.

„Da bleibt uns fast nichts mehr zum Leben“

Die alte Miete hätten sie von ihren Renten gemeinsam gut stemmen können. Die neue? „Da bleibt uns fast nichts mehr zum Leben“, sagen sie. Nun hoffen sie, wie auch einige ihrer Nachbarn, auf die Hilfe des Mietervereins. Rund 20 Mietparteien sind neben dem Paar betroffen. Neue Fenster und einen neuen Balkon soll das Ehepaar laut Ankündigung des Vermieters bekommen, dazu wird ein nicht-barrierefreier Aufzug eingebaut, auch die Fassade wird erneuert. „Das alles bringt uns sehr wenig, außer, dass wir viel mehr Miete bezahlen müssen“, sagen Veronika und Gerold K.

Fall 2

Schon die Oma von Petra M. (61) lebte in der kleinen Wohnung in der Clemensstraße in Schwabing. Aus dem Jahr 1940 stammt der Mietvertrag, den die Enkelin vor 27 Jahren übernahm. Doch jetzt hat Petra M. Sorge, ihre 49-Quadratmeter-Bleibe im sogenannten Hohenzollernkarree zu verlieren.

„Ich soll 645 Euro mehr Miete bezahlen als bisher. Das ist Wahnsinn“

In ein paar Jahren wird M., die als Verkäuferin arbeitet, in Rente gehen. Momentan bezahlt sie für ihre Wohnung 395 Euro kalt und rund 500 Euro warm. Ihre zukünftige Kaltmiete würde 1.040 Euro betragen. Eine Erhöhung um 163 Prozent.

Auch der Vermieter von Petra M. hat Modernisierungen angekündigt, die er auf die Miete umlegen darf. Und auch bei ihr kam der Brief noch vor dem Jahreswechsel an – so, dass noch altes Recht gilt. Die geplanten Maßnahmen: eine Wärmedämmung an den Außenwänden, neue Fenster und der Anbau von Balkonen sowie der Austausch der Wohnungstüren. Im Hohenzollernkarree sind 230 Mietparteien betroffen, alleine 70 davon vertritt der Mieterverein.

Fall 3

„Na dann, frohes Neues!“, dachte sich Gabriele F. (47). Denn auch die Modernisierungsankündigung, die am 27. Dezember in den Briefkasten der Diplompsychologin flatterte, hat es in sich. Derzeit bezahlt die Alleinerziehende für ihre knapp 48 Quadratmeter 386,59 Euro kalt an Miete, zukünftig sollen es 993,65 Euro sein.

Gabriele F. wohnt seit 40 Jahren im nördlichen Schwabing in einem Wohnkomplex der ehemals gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft GBW, die sich jetzt Dawonia nennt. In einem ersten Bauabschnitt des „BLUS“-Quartiers (Brabanter Straße, Luxemburger Straße, Ungerer- und Stengelstraße) entstanden bis Ende Dezember 2017 durch Nachverdichtung neue Wohnungen, bestehende wurden modernisiert.

Nun ist der Häuserblock der Psychologin an der Reihe. 104 Mieter sind von den Modernisierungsmaßnahmen betroffen, 25 davon vertritt der Mieterverein. Durch Dachaufstockungen sollen acht neue Wohnungen entstehen. Dauer der Bauarbeiten: fast drei Jahre.

Auch Polizist Gerhard O. (56) ist betroffen. Seine Nettogrundmiete soll von 307,71 Euro auf 896,20 Euro steigen. Eine Erhöhung um monatlich 588,49 Euro. Gerhard O. und Gabriele F. kennen sich schon lange: Ihre Kinder sind miteinander in dem Haus aufgewachsen. Ob auch sie später noch hier leben können werden, ist fraglich.

Die Lage in München

Rund 750 Mietervereins-Mitglieder waren im Jahr 2018 neu von Modernisierungsankündigungen betroffen. Eine Zahl, die sogar das Vorjahr noch knapp toppt: 2017 waren es rund 700 neu betroffene Mitglieder. Zusammen mit älteren Fällen, die noch akut sind, berät der Mieterverein Tausende Mitglieder nur wegen Modernisierungen.

Alleine zwischen Weihnachten und Neujahr erhielten noch rund 120 Mitglieder eine Modernisierungsankündigung. So nutzten Vermieter die alte Rechtslage knallhart noch in letzter Sekunde aus. Denn: Seit 1. Januar 2019 darf der Vermieter acht Prozent der Modernisierungskosten jährlich auf die Mieter umlegen. Maximal darf die Miete jedoch – je nach Höhe der Ausgangsmiete – um nur drei oder sogar zwei Euro pro Quadratmeter im Monat innerhalb von sechs Jahren nach der Modernisierung erhöht werden („Kappungsgrenze“). Nach alter Rechtslage durften elf Prozent der Kosten auf die Mieter umgelegt werden – ohne Kappungsgrenze. Die alte Rechtslage gilt für alle Modernisierungsankündigungen bis zum Jahreswechsel.

„Die meisten Vermieter, die modernisieren wollen, haben noch schnell vor dem Jahreswechsel die Ankündigungen rausgeschickt. Wir halten das für unsozial“, sagt Mietervereins-Geschäftsführer Volker Rastätter.

„So richtig wirken wird die neue Rechtslage erst in ein paar Jahren: Die meisten Vermieter, die modernisieren wollen, haben noch schnell vor dem Jahreswechsel die Ankündigungen rausgeschickt. Wir halten das für unsozial“, sagt Mietervereins-Geschäftsführer Volker Rastätter. Die Rechtsberater gehen nun für die betroffenen Mitglieder genau durch, was eine auf die Mieter umlagefähige Modernisierung und was eine bloße Instandsetzung ist. Außerdem können persönliche oder finanzielle Härtefälle zu einer Reduzierung der Erhöhung führen. In Sachen Hohenzollernkarree hat der Mieterverein eine Musterfeststellungsklage eingereicht.

 

Text: Ramona Weise

Fotos: Philipp Gülland (4), Astrid Schmidhuber

 
Hier erreichen Sie uns