Rosi Steger und Robert Braunmüller

Musterhaft in die Zukunft

Holzbau, selbst erzeugter Strom, gemeinsame Nutzung von Räumen und Alltagsgegenständen. Wie es sich in einer »ökologischen Mustersiedlung« lebt. 

Rosi Steger und Robert Braunmüller im Gemeinschaftsgarten im Innenhof

Von hier aus kann man bis zu den Alpen sehen – ein Getränk an einem lauen Sommerabend, zwischen den Pflanzen, das ist ein Luxus, den sich in München wenige leisten können. Rosi Steger und ihr Mann Robert Braunmüller gehören allerdings nicht zu den Reichen dieser Stadt. Für sie ist die Dachterrasse ein Stück Wohnungserweiterung, die sie gemeinsam mit anderen nutzen. Sie wohnen in einem Neubau der Genossenschaft Wogeno. Hier soll Nachhaltigkeit ganz konkret umgesetzt werden: Es geht um Holzbauweise, Ökostrom und Dachbegrünung, aber auch um das Teilen von Räumen und Sachen, um Reparieren statt Wegwerfen und ums Mitbestimmen. Hier zu wohnen ist auch eine Lebenseinstellung. Das Haus gehört zur „ökologischen Mustersiedlung“ im Prinz-Eugen-Park in Bogenhausen, der größten Holzbausiedlung Deutschlands. Holz speichert CO2, ist also klimafreundlich, der Bau geht verhältnismäßig schnell. Das gesamte Holz stammt aus nachhaltiger Bewirtschaftung in Deutschland. Acht Holzbauprojekte entstanden hier mit unterschiedlichen Bautypen. Das Wogeno-Haus ist ein Hybridbau, es besteht aus Stahlbeton und Holz und hat mit KfW-55 einen hohen Energiestandard.

Das Wogeno-Haus ist ein Holz-Hybridbau mit Photovoltaikanlagen und begrünter Dachterrasse

Rosi Steger ist seit 22 Jahren Mitglied der Wogeno. „Ich habe aber vorher nie in einer Genossenschaftswohnung gewohnt“, erzählt die Berufsschullehrerin. Ende 2020 ist die Familie hier eingezogen. „Wir werden oft gefragt, wie es sich anfühlt, in einem Holzhaus zu wohnen“, sagt Robert Braunmüller. „Das Raumklima ist sehr angenehm, aber es ist nicht sensationell anders.“ Das Leben allerdings hat sich für die Familie schon verändert. Mit ihrem 15-jährigen Sohn wohnen die beiden auf 80-Quadratmetern. Die Wogeno legt fest, dass pro Person nicht mehr als ein Zimmer zur Verfügung steht. Das Konzept: lieber kleinere Wohnungen, dafür mehr Platz für die Gemeinschaft. So gibt es in jedem Stockwerk Räume mit Waschmaschinen, im großen Gemeinschaftsraum ist Platz für Feiern, im Keller ist ein Sportraum, für Besucher*innen gibt es Gäste-Apartments.

Rosi Steger hat sich in der Gemeinschaft mit einigen Ideen eingebracht. So gibt es ein Schenk-Regal, wo man ablegt, was man nicht mehr braucht. Im Keller hat sie eine Verpackstation eingerichtet, mit Kartons, Klebeband, Geschenkpapier. Alles Dinge, die andere Leute in der Wohnung stapeln müssen, obwohl man sie nur selten braucht. Deswegen ist im Keller auch eine kleine Werkstatt. Eine Bohrmaschine für alle. „Wenn etwas kaputt ist, schauen wir auch immer, ob im Haus jemand ist, der das reparieren kann“, sagt Braunmüller. Solche Hilferufe landen dann im Haus-Chat der Bewohner*innen. Das Haus hat 82 Wohneinheiten, darunter sind auch geförderte Wohnungen für Geringverdiener (EOF) und München-Modell-Wohnungen, die ebenfalls an Einkommensgrenzen gebunden sind. 

Eine gut ausgestattete Werkstatt für alle: Teilen, was man nur selten braucht, das spart Geld und Platz

Der Bau des Hauses wurde natürlich auch insgesamt gefördert, ohne Unterstützung könnten Genossenschaften in München gar keine Grundstücke kaufen. 2016 hat die Wogeno das Grundstück auf dem ehemaligen Kasernengelände von der Stadt gekauft. Steger und Braunmüller haben 48 000 Euro eingelegt. Dazu kommen 1275 Euro Warmmiete. Auf einem Teil des Daches gibt es Photovoltaik, die Energie kann direkt von den Mieter*innen genutzt werden, der Rest wird über die Isar-Watt, ein genossenschaftliches Energieunternehmen, eingespeist. Von der Isar-Watt bekommen sie bei Bedarf auch externen Ökostrom.

Die Wogeno musste eine Tiefgarage bauen, allerdings mit verändertem Stellplatzschlüssel: Der ist mit alternativem Mobilitätskonzept möglich. In der Tiefgarage sind Lastenfahrräder, ein zweistöckiger Fahrradkeller und Share-Autos, die vom ganzen Quartier genutzt werden können. Auch vermietet man leere Stellplätze weiter. Die Mustersiedlung, zu der auch Häuser der Münchner Wohnen, der Genossenschaft wagnis und anderer Bauvereine gehören, hat eine gemeinsame Quartiersverwaltung, die zum Beispiel ein Café betreibt und die „RatschBank“ aufgestellt hat, die zum Austausch einladen soll. Für manche Arbeiten wie das Rasenmähen im Innenhof können die Menschen Stunden aufschreiben und mit den Nebenkosten verrechnen. Das meiste Engagement aber ist unentgeltlich. So kümmert sich eine AG um die Bepflanzung der Freiflächen. Die Dachterrasse wurde gerade von der Stadt ausgezeichnet, mit dem 2. Preis des Wettbewerbs „Mehr Grün für München“.

Die »Ratsch-Bank« soll die Menschen im ganzen Quartier zum Gespräch animieren

Ideen werden hier zusammen umgesetzt. Aber das Leben in der Gemeinschaft ist auch herausfordernd. Diskutieren, Abstimmen, das kostet Zeit und manchmal Nerven. Wie überall helfen manche mehr mit, andere weniger. Steger würde allerdings nicht mehr tauschen wollen. Ihre erwachsene Tochter ist gerade in eine Einzimmerwohnung im Haus eingezogen. Und auch der 15-jährige Sohn von Rosi Steger und Robert Braunmüller genießt die Vorteile als Genossenschaftler. Er kocht gerne für die ganze Familie. Wenn er mal was vergessen hat, ist das kein Problem, wie sein Vater erzählt: „Einfach in den Haus-Chat schreiben und keine zehn Minuten später haben wir garantiert einen Ingwer da.

Zwei Bewohner im Sportraum. Boxen, Radeln und Rudern sind hier auch möglich

Text: Tina Angerer
Fotos: Astrid Schmidhuber

 
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