Dauermarsch zum Mietenstopp

Wer ein Einfrieren der Mieten fordert, muss sich auf alles andere als einen Sprint einstellen. Das führt der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vor Augen. In Berlin zeigten im Herbst 20.000 Menschen, wie ernst es ihnen mit dem Thema ist.

Vom Alexanderplatz über das Brandenburger Tor bis mitten auf die Straße des 17. Juni marschieren rund 20.000 Menschen kurz vor der Bundestagswahl auf der großen Mieten-Demo. Auch viele Vertreter*innen der bundesweiten Kampagne „Mietenstopp“ (mietenstopp.de) und unseres Vereins sind dabei. In einer Aktion mit einer vier Meter hohen Mietenstopp-Hand vor dem Reichstag einige Wochen später macht die Kampagne noch mal klar: Ein Einfrieren der Mieten muss in den Koalitionsvertrag.

Die Ampel-Parteien scheinen aber in diesem Punkt den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben. Sowohl SPD und Grüne hatten in ihren Wahlprogrammen einen – unterschiedlich gestalteten – Mietenstopp. Doch im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP findet sich das Einfrieren der Mieten nicht. Mietervereins-Geschäftsführer Volker Rastätter: „Der bestehende, dringend nötige Mieterschutz wird nicht abgebaut. Das ist die gute Nachricht. Doch es reicht nicht, die schlimmsten Befürchtungen nicht zu erfüllen. Es bräuchte ein Gesamtkonzept mit Vision.“

In Schulnoten wäre das die Note 4: ausreichend. Rastätter: „Wer die Realität auf dem Wohnungsmarkt kennt, weiß: Die wenigen neuen Maßnahmen im Koalitionsvertrag werden nicht reichen, um die Lage zu beruhigen. Gerade München bräuchte dringend Hilfe vom Bund. In Form eines Gesamtkonzepts mit Bodenrechtsreform, Mietenstopp und einer Mietpreisbremse, die ihren Namen verdient.“

„Es wäre dringend nötig, dass die Mieten in München gar nicht mehr steigen“

Statt eines Mietenstopps möchten die Ampel-Parteien nur die sogenannte Kappungsgrenze absenken. In angespannten Wohnungsmärkten wie München sollen Mieten zukünftig nur noch um 11 Prozent in drei Jahren erhöht werden dürfen, statt bisher 15 Prozent. Obergrenze dabei ist die ortsübliche Vergleichsmiete. Volker Rastätter: „Für die Münchnerinnen und Münchner ist es gut, wenn ihre Miete nun weniger schnell steigen darf. Allerdings wäre es dringend nötig, dass die Mieten in München gar nicht mehr steigen und dass auch Staffel- und Indexmietverträge ausgesetzt werden. All das schafft die Kappungsgrenze nicht. Dafür braucht es einen Mietenstopp.“

Denn ein Mietenstopp würde auch die Mieten bei Staffel- und Indexmietverträgen einfrieren. Auch bei Modernisierungs-Mieterhöhungen würde das Konzept greifen. Laut Koalitionsvertrag wollen SPD, Grüne und FDP einen Umstieg auf ein Teilwarmmieten-Modell prüfen, in das auch die Modernisierungsumlage aufgehen soll. „An diesem Punkt müssen wir genau hinsehen, was sich hinter einem solchen Teilwarmmieten-Modell verbirgt. Es kann nicht sein, dass Mieter*innen am Ende einen größeren Anteil der Modernisierungskosten bezahlen müssen. Derzeit dürfen Vermieter*innen von den Kosten maximal drei Euro pro Quadratmeter Wohnfläche auf die monatliche Miete draufschlagen. Das ist schon zu viel. Mehr darf es aber auf keinen Fall werden“, sagt Volker Rastätter.

Hoffnung setzt der Geschäftsführer des Mietervereins München in das eigenständige Bauministerium, das geschaffen werden soll. „Die Ampel-Parteien erkennen mit dem eigenständigen Ministerium an, wie groß das Problem auf dem Wohnungsmarkt ist. Bislang gehörte der Bereich als einer von vielen zum Innenministerium. Nun liegt es an der neuen Bauministerin Klara Geywitz von der SPD, sich für die Belange der Menschen, die zur Miete wohnen, einzusetzen. Olaf Scholz besetzt diese Position mit einer Politikerin, der er viel zutraut. Denn mit Geywitz zusammen wollte er den Parteivorsitz. Das ist ein gutes Zeichen, die Ministerin muss nun schnell handeln.“

„Mit möblierten Wohnungen wird es Menschen gezielt extrem schwer gemacht, die Mietpreisbremse geltend zu machen“

Schlecht ist dagegen, dass die bestehenden Mieterschutzregeln laut Koalitionsvertrag nur verlängert, aber nicht verbessert werden. Etwa die Mietpreisbremse für neu abgeschlossene Mietverträge mit ihren vielen Ausnahmen und Schlupflöchern – so gilt die Bremse zum Beispiel nicht, wenn schon die Vormiete höher war. Rastätter: „Wer in München eine Wohnung sucht, findet extrem viele Angebote teurer, möblierter Wohnungen. Mit diesen möblierten Wohnungen wird es Menschen gezielt extrem schwer gemacht, die Mietpreisbremse geltend zu machen.“ Normalerweise darf bei der Mietpreisbremse die ortsübliche Vergleichsmiete um maximal zehn Prozent überschritten werden. Bei möbliertem Wohnraum kommt zusätzlich noch ein Möblierungszuschlag dazu. In welcher Höhe dieser angemessen ist, können Laien kaum selbst berechnen. Außerdem führt die Höhe des Zuschlags immer wieder zu juristischem Streit.

Eine Regelung zum Möblierungszuschlag zu finden, hat die Ampel aber genauso verpasst, wie die Regeln für Eigenbedarfskündigungen zu verschärfen. „Eigenbedarf darf also weiterhin auch für entfernte Verwandte, Hauspersonal oder gelegentliche Opernbesuche angemeldet werden“, sagt Volker Rastätter. „Das ist für München ein großes Problem. Denn wir haben seit Jahren steigende Zahlen bei Eigenbedarfskündigungen. Diese Art von Kündigungen ist eine relativ einfache Möglichkeit, jemanden aus der Wohnung zu bekommen.“ Auch steht im Koalitionsvertrag nichts davon, dass der Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz zur Mietpreisüberhöhung so angepasst wird, dass er endlich in der Praxis auch anwendbar ist. Derzeit müssen Mieter*innen vor Gericht nachweisen, dass Vermieter*innen eine Notlage ausgenutzt haben – was kaum möglich ist.

CO2-Preis: „Logisch wäre gewesen, dass Vermieterinnen und Vermieter komplett für diese Steuer aufkommen“

Beim CO2-Preis haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass diese Steuer voraussichtlich zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen ab dem 1. Juni 2022 aufgeteilt wird. Dies, wenn es bis zum 1. Juni 2022 nicht gelingt, andere komplizierte Regelungen durchzusetzen. Eine hälftige Teilung wäre eine Verbesserung im Vergleich zum Istzustand. Bislang bezahlen Mieter*innen die Steuer komplett, obwohl sie keinen Einfluss auf die Art der Heizung haben. „Logisch wäre es gewesen, dass Vermieterinnen und Vermieter komplett für diese Steuer aufkommen, denn sie können entscheiden, ob sie eine umweltfreundlichere Heizung einbauen“, so Rastätter.

Bei den geplanten 400.000 neuen Wohnungen jährlich sollen 100.000 geförderte Wohnungen entstehen. Volker Rastätter: „200.000 geförderte Wohnungen wären hier mindestens nötig gewesen. Denn wir brauchen keine Luxuswohnungen, sondern Wohnungen für Normalverdienende.“ Vermieter*innen sollten auch dann nur mehr von ihren Baukosten abschreiben können (drei Prozent statt bisher zwei laut Koalitionsvertrag), wenn sie geförderten Wohnraum bauen, so Rastätter.

Eine Bodenreform wollen die Ampel-Parteien laut Koalitionsvertrag nicht angehen. Volker Rastätter: „Es wird also weiterhin bei exorbitanten Bodenpreisen bleiben. Es ist für München fatal, wenn Bodenpreise weiter so in die Höhe schnellen können. Denn wenn der Boden schon extrem viel kostet, kann nur schwer bezahlbarer Mietwohnraum entstehen.“

„Unsere Forderung ist, dass alle Mieten in den Mietspiegel einfließen“

Den Erhebungszeitraum für Mietspiegel auf sieben Jahre von sechs Jahren zu erhöhen, ist nur eine kleine Verbesserung – es fließen ein paar mehr Bestandsmieten ein, die sich in der Regel preismildernd auswirken. „Unsere Forderung ist, dass einfach alle Mieten in den Mietspiegel einfließen. Und nicht nur die in den vergangenen sieben Jahren neu abgeschlossenen oder veränderten Mieten. Nur dann würden Mietspiegel ein realistisches Bild liefern“, so Rastätter. Mietspiegel werden verwendet, um die ortsübliche Vergleichsmiete zu berechnen. Diese ist beispielsweise für Mieterhöhungen relevant.

Ein wichtiger Schritt ist, dass die Ampel-Parteien wieder eine Wohngemeinnützigkeit einführen wollen. Das Grundprinzip: Wer dauerhaft bezahlbaren Wohnraum schafft, wird steuerlich begünstigt. „Jetzt kommt es darauf an, wie die Regelung konkret ausgestaltet wird“, sagt Volker Rastätter. Eine Wohngemeinnützigkeit gab es schon einmal, sie wurde aber 1989 von der damaligen konservativ-liberalen Regierung abgeschafft.

In Sachen Vorkaufsrecht gibt es kein Festlegen der Ampel-Parteien, das Baugesetzbuch so anzupassen, dass Kommunen wie München das Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten weiter ausüben können. Jedoch aber die Zusage zu prüfen, ob sich nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt. Rastätter: „Die Ampel-Parteien müssen reagieren und das Baugesetzbuch anpassen. Für München ist das Vorkaufsrecht extrem wichtig.“

Das Fazit des Mietervereins München zum Koalitionsvertrag: Es gibt weiterhin viel zu tun für alle, die sich für die Rechte von Mieterinnen und Mietern einsetzen. Unser Verein bleibt für Sie dran – insbesondere beim so wichtigen Mietenstopp. Übrigens: Auch bei einem Dauermarsch erreichen die Teilnehmenden ihr Ziel.

Text: Ramona Weise-Tejkl
Fotos: Kampagne Mietenstopp/Florian Boillot 

 

 
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