Zur Miete beim Chef

Lange schienen Werkswohnungen aus der Mode gekommen, doch nun engagieren sich immer mehr Firmen wieder in diesem Bereich. Laura Puglisi und Umberto Cimino sind im Herbst mit ihren Söhnen in eine neue Stadtwerke-Wohnung gezogen.

Zuerst probieren sie es privat, eine größere, bezahlbare Wohnung in München zu finden. „Keine Chance“, sagen Laura Puglisi (38) und Umberto Cimino (41). Doch die Zeit drängt: In der Zwei-Zimmer-Mietwohnung des Ehepaares in Neuried (Landkreis München) schimmelt es, außerdem erwarten die beiden ihr zweites Kind. Dann das rettende Angebot: Umberto Ciminos Arbeitgeber, die Stadtwerke München, bauen Werkswohnungen in Haidhausen. Das Ehepaar bekommt den Zuschlag für eine neue Drei-Zimmer-Wohnung. Auf 76 Quadratmetern gleich beim Max-Weber-Platz wohnen Laura Puglisi und Umberto Cimino seit September mit ihren beiden Buben Francesco (3) und Lorenzo (1). Und bezahlen dafür eine für München günstige Warmmiete von rund 990 Euro im Monat.

Umberto Cimino arbeitet als Busfahrer bei der MVG. Ehefrau Laura, Friseurmeisterin, ist in Elternzeit, kümmert sich derzeit um die Söhne. Rund die Hälfte der monatlichen Einnahmen braucht das Ehepaar derzeit für die Miete. „Mehr könnten wir auch nicht bezahlen“, sagen die beiden. Im neuen Zuhause fühlt sich die Familie wohl. „Die Kinder waren den ganzen Winter nicht krank – ein Grund dafür war sicher die Fußbodenheizung, die wir überall haben“, sagt Laura Puglisi. Die Stadtwerke haben in der Kuglerstraße, verteilt auf zwei Gebäude, insgesamt 36 Wohnungen bauen lassen. Die Wohnung des Ehepaars Puglisi-Cimino ist eine München-Modell-Wohnung: Anspruch darauf haben Haushalte mittleren Einkommens. Ziel des München-Modells ist es, 15 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete zu bleiben. Auch bei den übrigen Wohnungen versuchen die Stadtwerke, mit der Miete im unteren Bereich des Münchner Mietspiegels zu liegen.

Werkswohnungen haben eigentlich in Deutschland eine lange Tradition

„Auf dem Münchner Wohnungs- und Arbeitsmarkt kann unser Werkswohnungsangebot ein wichtiger Grund bei der Entscheidung für die Stadtwerke München als Arbeitgeber sein“, sagt der Personalgeschäftsführer des kommunalen Unternehmens, Werner Albrecht. Vor 2011 hatten die Stadtwerke bereits 550 Werkswohnungen im Bestand. Bis 2022 sollen 500 dazukommen, bis 2030 sogar noch weitere 2.000.

Werkswohnungen haben in Deutschland eigentlich eine lange Tradition, Ende der 1970er-Jahre etwa gab es laut dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen bundesweit noch schätzungsweise 450.000 Werkswohnungen. Doch dann kam die Flaute: Viele private und auch kommunale Unternehmen bauten keine neuen Wohnungen und verkauften die alten. Heute geht der Verband von gerade mal noch 100.000 solcher Wohnungen aus (siehe unten). Doch neuerdings gibt es immer mehr Firmen, die wieder Werkswohnungen bauen. Denn sonst bekommen sie in überhitzten Wohnungsmärkten wie München kein Personal mehr. Laura Puglisi und Umberto Cimino dürfen so lange in der Wohnung bleiben, wie Umberto für die Stadtwerke arbeitet. Ebenso, wenn er als Stadtwerke-Mitarbeiter in Rente geht. Auch seine Frau überlegt, sich nach der Elternzeit bei dem Unternehmen im Kundencenter zu bewerben.

Mit den Kollegen in einem Haus wohnen, das ist nicht jedermanns Geschmack. Er kenne nicht viele der anderen Mieter von der Arbeit, sagt Umberto Cimino. Dafür sind die Stadtwerke München zu groß. Die Hausgemeinschaft sei gut, aber nicht einengend. „Letzte Woche haben wir zum Beispiel Nachbarn auf ein Tiramisu eingeladen, das war nett.“ Mit italienischem Essen kennt sich das Paar aus. Beide stammen aus Italien, Laura Puglisi kam mit neun Jahren nach Deutschland, ihr Mann mit 21. Im Viertel geht das Paar gerne in den Maximiliansanlagen spazieren. „Auch am Marienplatz oder Stachus sind wir sofort.“ Der dreijährige Francesco und sein kleiner Bruder Lorenzo toben gerne auf dem Spielplatz im Innenhof. Zwei kleine Wünsche haben die Buben allerdings noch. „Eine Rutsche und eine Schaukel“, sagt Francesco schüchtern. Dann kann sich die ganze Familie endgültig im Viertel einleben.

Auch OB Dieter Reiter fordert mehr Werkswohnungen

Die Idee zu Werkswohnungen ist nicht neu: Schon im 19. Jahrhundert stellten Firmen Fabrikarbeitern Wohnungen zur Verfügung. In den Nachkriegsjahren ließen große Unternehmen ganze Siedlungen für ihre Angestellten bauen. Doch gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurden Werkswohnungen zum Auslaufmodell. Private und öffentliche Unternehmen verkauften sie, und auch der Bund trennte sich von vielen Wohnungen. Mittlerweile entscheiden sich Firmen aus der Not heraus, wieder Werkswohnungen zu schaffen. Für Jobs mit »normalem« Gehalt finden sie sonst keine Arbeitskräfte mehr. OB Dieter Reiter hatte jüngst erst Firmen aufgefordert, mehr Werkswohnungen in München zu bauen. Im Gegenzug könne die Stadt den Unternehmen bei der Genehmigung von Gewerbe entgegenkommen.

Aus Sicht des Mietervereins ist es wichtig, dass weitere Mitarbeiterwohnungen entstehen. Jedoch sollte man wissen: Meist können die Wohnungen nur so lange bewohnt werden, wie der Arbeitsvertrag mit der Firma besteht. Außerdem macht es das Steuerrecht Firmen nicht leicht, günstig an ihre Mitarbeiter zu vermieten. Sie müssen sich am Mietspiegel orientieren, der ein Preistreiber ist. Außerdem wird bei den Mietern die Mitarbeiterwohnung als geldwerter Vorteil besteuert.

Ramona Weise

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Foto: Mieterverein München/Philipp Gülland

 
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